Es ist ein eigenartiges und ein gewöhnungsbedürftiges Buch, das der schwedische Erfolgsregisseur Kay Pollak, seines Zeichens Macher des sympathischen Kinohits „Wie im Himmel“, da geschrieben hat. Eigenartig prunklos kommen die Sätze daher, als ob der Autor hochgestochene oder ausgeklügelte Formulierungen verabscheuen würde und jedem belletristischen Schnörkel mit Genuß den Garaus machen wollte, um so nur ja jedes Mißverständnis bei der Präsentation seiner Gedanken auszuschließen. Im Grunde kündigt genau die direkte, in ihrer Einfachheit aber auch wiederum beeindruckende Sprachwahl schon die Motivation dieses Arbeitsbuches an.
Wer Pollaks Vita ein wenig genauer kennt, der weiß, daß er sich lange mit der Frage beschäftigte, wie ein echter Austausch zwischen Menschen stattfinden kann, ohne daß die Botschaften zu dominant oder verletzend ankommen und Mißverständnisse schüren. Die Praxis zeigt ja, wie harmlose Sätze schnell Bilder formen können, die eigentlich anders gemeint waren, unterwegs zum Empfänger jedoch in ein fiktives Zerrbild mutierten, welches zwar viel mit Wunsch- oder Angstvorstellungen, dafür aber nichts mit dem Nächsten oder den Umständen des Augenblickes zu tun haben! Allem Anschein nach ist uns der direkte und liebevolle, der sachliche wie förderliche Weg abhanden gekommen, da die „Übersetzungsmaschine“ im Gehirn falsch justiert wurde.
Mit Erstaunen erfährt man, wie sehr der als Philanthrop geltende Pollak einst selbst regelmäßig an seinen Mitmenschen verzweifelte und der Meinung war, daß sie sich völlig „danebenbenahmen“. Wie viele andere, so hatte auch der Autor das Problem, daß er die Menschen in seinem Umfeld nicht so akzeptieren konnte, wie sie nun einmal waren. Doch Filmarbeit erfordert ja im besonderen Maße Teamgeist, Klarheit und gegenseitiges Verständnis. Was also tun?
Pollak bietet als Antwort 109 Seiten geballter und authentischer Lebensweisheit, die sich nie wie verträumter Esoterikkitsch oder aufgewärmte Sprüche aus einem Bauernregelnkalender anhören. Im Gegenteil: von der ersten Seite an merkt man, daß man es mit einem sehr sensiblen Werk zu tun hat, das aus langjähriger und tiefer Lebenserfahrung resultiert. Anstatt ständig erfolglos den Mitmenschen oder gleich die ganze Welt verändern zu wollen und so in einen donquixoten Kampf zu verfallen, ist es, so der Autor, wahrscheinlich realistischer und vor allem einfacher, zuerst … sich selbst und seine Sichtweisen zu verändern! So naheliegend und einleuchtend diese Binsenweisheit auch sein mag; die Umsetzung ist durch gesellschaftlich falsch kultivierte Sichtweisen und egoistische Verdrängungsmechanismen zu einem unglaublich schweren Unterfangen geworden, das zeigen Unmengen an Dramen in unserer Zeit und Berge an dazugehöriger Ratgeberliteratur.
„Durch Begegnungen wachsen“ ist in erster Linie ein Arbeitsbuch, welches sich seminargleich in drei Kurse aufteilt, also einen Grund-, Fortsetzungs- und Abschlußkurs anbietet. Während der erste Teil (fast) alle gängigen Sackgassen der eigenen Einstellung zu den Dingen hinterfragt, Fehler und Probleme im Umgang mit der Umwelt beschreibt, kümmert sich der zweite Teil um die Einbettung dieser Erkenntnisse in griffige Bilder. Der Abschluß bietet radikal reduzierte und damit sehr weitreichende Sichtweisen an, die man durchaus teilen kann, ohne als idealistischer Träumer oder esoterischer Weltflüchtling zu gelten, zum Beispiel: „Manche Menschen spenden Liebe, andere haben Angst und bitten um Liebe.“ Zu einfach? Viel eher trifft dieses dynamisch gemeinte Beziehungsmodell den berühmten Nagel sehr gut auf den Kopf, denn es macht den Umgang miteinander klarer und erklärt in vielen Fällen die unterschiedliche Tagesform durch variierende Nöte und Wünsche ganz gut!
Das Buch ist voll von einfachen und wertvollen Hinweisen, die dem Leser die Augen für eine wahrhaftere, ehrlichere Sichtweise öffnen. Das mittlerweile abgegriffene „Man-sieht-nur-mit-dem-Herzen-Gut“ wird in Pollaks Buch gefördert, indem eine Betrachtungsweise über die Introspektive trainiert wird.
Ein beeindruckendes Beispiel bietet Pollak auch in dem Kapitel „Positive Bilder“, in dem er erläutert, daß in der Kommunikation der Erwachsenen mit ihren Kindern die Verneinung, also das Wort „nicht“ sehr Dominant ist. 85 Prozent aller Botschaften, so zeigt ein Experiment, beinhalten Verbote! Das Dilemma: das Wort „nicht“ läßt sich im bildhaft arbeitenden Unterbewußtsein nicht darstellen, nicht visualisieren (versuchen Sie einmal, das Wort „nicht“ zu malen!) – und so wird aus dem Zuruf „Fahre nicht in den Graben!“ beim ersten Fahrversuch ohne Stützräder ein „Fahr in den Graben“!
Vielleicht wäre es ja zu weit gegriffen, Pollaks Buch als komplettes Ratgeberkompendium zu bezeichnen, das all unsere psychologischen wie weltanschaulichen Auffassungsdefizite beseitigt, zumindest aber ist das Ganze so rund und harmonisch, daß man am Ende der Lektionen keine Ergänzung mehr für nötig hält.
Doch Vorsicht! So simpel die Sätze auch sein mögen; selbst die kleinsten Satzkonstruktionen haben es in sich, sind pures Extrakt, das wirklich verstanden, gehoben und täglich in der Praxis geübt sein will!