Normalerweise, so wird man beim Betrachten der klimatischen und geographischen Eckdaten schnell resümieren, sind die Standortbedingungen des Krameterhofes alles andere als rosig. Die karge Hanglage auf Mittelgebirgsniveau mit Durchschnittstemperaturen von 4,5 Grad brachte der Region nicht umsonst den Titel „ Sibirien Österreichs“ ein. Um so verblüffter wird der Besucher des Krameterhofes sein, wenn er in der Monokulturlandschaft der umliegenden Berge plötzlich ein riesiges Areal mit üppiger Vegetation, Obstbäumen und sogar Kiwis, Kirschen und Orangen vorfindet! Kurios wird das Ganze noch, wenn Sepp Holzer, Besitzer des Hofes, zu erklären versucht, diese alles sei nicht mit der Hilfe von irgendwelchen Agrarchemikalien oder High-Tech-Geräten entstanden, sondern, in dem die Kreisläufe der Natur berücksichtigt wurden!
Ihr Krameterhof im salzburgerischen Lungau vereint eigentlich alles, was Landbewirtschaftung im klassischen Sinne unmöglich macht: Er liegt am Hang auf zirka 1.300 Metern Höhe, in der kältesten Ecke Österreichs, Sie düngen nicht, verwenden keine Pestizide, und doch blüht es das ganze Jahr über auf Ihrem Hof. Das schaffen Sie, indem Sie im Einklang mit der Natur bewirtschaften, „Kooperationen“ mit Tieren eingehen und „die Kreisläufe der Natur berücksichtigen“. Wie ist die sogenannte Permakultur des „Agrar-Rebellen“ Sepp Holzer eigentlich entstanden?
Sepp Holzer: In meiner Kindheit hatte ich in den extremen Hanglagen rund um unseren Hof das Glück, ungestört in die Natur eintauchen zu können und zu beobachten, unter welchen Bedingungen Pflanzen gedeihen, welche Aufgaben beispielsweise Ameisen, Käfer oder Würmer haben, wo sie leben, in welcher Beziehung sie zueinander stehen usw. Die Holzer’sche Permakultur ist, so gesehen, eine von mir seit meiner Kindheit erlernte Art der alternativen Landbewirtschaftung, die Geländekorrekturen sowie Umgestaltungen beinhaltet, dabei aber stets die symbiotischen Kreisläufe der Natur als Vorbild hat. Heute kann ich dieses Wissen mit Baggern und Maschinen umsetzen und dadurch mißbrauchten Kulturraum wieder zur Gesundung verhelfen. Der Krameterhof hat dabei eine Vorreiterrolle, hier leben wir die Methode vor und zeigen, daß sie funktioniert. Die Umsetzung dieses Erfahrungswissens war allerdings ein einziger Kampf gegen die Behörden, da in unseren Breiten alles Neue zuerst einmal grundsätzlich verboten wird. Ich wurde zu Beginn meiner Arbeit derart oft mit behördlichen Schikanen konfrontiert, daß ich heute wohl der meistbestrafte Bauer ganz Österreichs bin! Ob Terrassierung am Hang, Weizenanbau im Wald oder die Tierhaltung im Freien, alles verboten! Weil ich zum Beispiel Obstbäume im Wald angepflanzt habe, erfüllte ich den Tatbestand der „Waldverwüstung“! Was diese Leute jedoch nicht kapieren: Wenn man beginnt, seine eigene Erde in die Hand zu nehmen und sie mit Liebe zu bearbeiten, dann erwacht in einem eine ganz andere Bereitschaft, für diesen Boden zu kämpfen! Die Scholle wächst einem ja ans Herz, und deshalb lernt man unweigerlich, seine Tiere und Pflanzen zu beschützen, sie gegen den Verordnungswahnsinn und die Ignoranz dieser Bürokraten zu verteidigen!
Man kennt Sie als Freund klarer Worte. Angesichts Ihrer teils undiplomatischen Vehemenz würde es mich interessieren, warum Sie das aktuelle System derart in Rage versetzt?
Sepp Holzer: Ich habe den Kern meiner Sorgen in einem offenen Brief an die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sehr klar zum Ausdruck gebracht. Die Politik zum Beispiel hat es bis heute versäumt, auf Umweltzerstörung oder Klimaerwärmung angemessen zu reagieren. Ich halte deshalb Veranstaltungen wie diese leidigen Klimagipfel mittlerweile für pure Volksverdummung! Da wird von ein paar Politikern eine Zirkusshow aufgeführt, die Unsummen an Geldern verschlingen, und am Ende kommt rein gar nichts zugunsten der Natur heraus! Dabei müssen sich diese Leute nur eine Frage stellen: Will ich in Zukunft in einer Wüste oder in einem Paradies leben?!
Die Wurzel des ganzen Übels liegt in einer falschen Bildungspolitik, um genau zu sein, an den Werten, aus denen sich derartige Leitlinien ableiten. Unsere Kinder verblöden doch in den Schulen und Universitäten, und zwar weil Lehrer und Professoren an stupide, lebensferne Lehrpläne gebunden sind, hinter denen die meisten ja nicht einmal richtig stehen! Die Folge ist, daß im heutigen Bildungssystem junge Menschen von der Natur wegerzogen und entwurzelt werden. Eine Ausbildung jedoch, die nur auf rücksichtslosen Raubbau und Profiterhöhung abzielt, muß doch bei den Auszubildenden zwangsläufig zum Ehrgeiz führen, man könne mit seinem soeben erlernten Halbwissen die Natur und ihre „wenig effektiven“ Kreisläufe verbessern. In Wirklichkeit ist es aber einzig der moderne Mensch, der im ganzen herrlichen Wirken unserer Schöpfung nicht richtig tickt und der mit seiner im wahrsten Sinne weltfremden Haltung und den daraus resultierenden Maßnahmen permanent gegen die Natur und damit gegen sich selbst arbeitet! Die Folgen dieser Isolierung und besserwisserischen Arroganz sehen wir deutlich anhand der katastrophalen Folgen von Kanalisierung, Flurbereinigung, Monokulturwirtschaft oder der Ausbeutung von Tieren! Gerade die Monokultur, die Erbsünde der modernen Landwirtschaft, beruht so auffällig auf dem vom Menschen praktizierten und der Natur völlig fremden Prinzip des permanenten Gegeneinanders! In so einem perversen System stehen alle Pflanzen zur selben Zeit im Kampf um dieselben Nährstoffe. Es ist doch aber logisch, daß kein Boden der Welt so einen Bedarf permanent zu Verfügung stellen kann! Anstatt sich nun aber die Symptome mit einer verständnisvollen Haltung klarzumachen und eine Kehrtwende anzustreben, bekämpft man die Warnsignale noch weiter, sprich, man führt die fehlenden Nährstoffe künstlich zu, solange, bis der Boden vollends ausgemergelt ist und nur noch krankheitsanfällige und süchtige Pflanzen wachsen! Wenn die Natur diesen fehlerhaften Eingriff schließlich per Krankheit oder Schädlingsbefall quittiert, kommen die altbekannten Zwangsmaßnahmen per Giftspritze zum Zug, ein Teufelskreis, der auch noch vom Staat finanziell durch ein gewaltiges Prämiensystem gefördert wird! Wir müssen endlich zur Besinnung kommen und diese Sünden rückbauen, wo es nur geht! Deshalb lautet meine Devise: Vielfalt statt Einfalt! Begreifen anstatt Bekämpfen! Arbeitet man auf symbiotischer Basis, dann hat man robuste und widerstandsfähige Pflanzen, mit denen ich zudem viel weniger Aufwand habe.
Was würde denn ein Kultusminister Holzer anders machen?
Sepp Holzer: Das Wichtigste ist zuerst einmal, daß Kinder ungestört in der Natur sein können, um sich zu entfalten und ihre eigenen Wurzeln fürs Leben zu schlagen! Die Natur lehnt ja keinen ab, jeder, der sich in ihren Schoß begibt und ein wenig Ruhe und Aufmerksamkeit mitbringt, kann lernen, wie ihre Kreisläufe funktionieren. Man kann beobachten, wie sich in ganz bestimmten Tieren und Pflanzen auch ganz bestimmte Kräfte bündeln, und in diesem Wirken – wie durch Wunderhand – stets ein großes, sich gegenseitig befruchtendes System bildet! Kinder spüren diese Kräfte noch instinktiv, deshalb können sie auch gar nicht lange genug in der Natur sein. Die Erlebnisse mit Wind und Wetter, die Erfahrungen, die man mit Pflanzen, Tieren und der Erde macht, ist ein permanenter Quell für Freude und neue Erfolgserlebnisse. So stärkt man die Lebensenergie junger Menschen, und so erwächst Vertrauen, durch das ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt und Mitmenschen erst entstehen kann! Ich war beispielsweise fünf Jahre alt, als ich die ersten Samen in die Erde eingebracht habe. Als kleiner Junge war ich von dem Ergebnis dieses Experimentes derart begeistert, daß mich die Faszination für dieses uns umgebende Wunderwerk bis zum heutigen Tag nicht mehr losgelassen hat! Jeder, der derartige Erfahrungen machen kann, kommt nicht umhin, Liebe und Empathie für seine Umwelt und Mitmenschen zu entwickeln.
Die Wälder in Ihrer Umgebung sind trotz allem Monokulturen. Wieso übernehmen Bauern und Forstwirte rund um Ihren Hof angesichts des mittlerweile weltweiten Erfolgs nicht einfach Ihr Konzept?
Sepp Holzer: Da müssen sie die Bauern fragen! Man hat mich ja von Beginn an nur ausgelacht und abfällig behandelt, und daran hat sich größtenteils bis heute nichts geändert. Die Landwirte dachten, daß die vielen verschiedenen, teils exotischen Pflanzen, die ich bei mir angebaut habe, sowieso alle kaputtgehen würden, weil man das schließlich auch in der Schule so gelernt hat. Ich habe an das althergebrachte Wissen aber nie geglaubt, weil meine Experimente in der Natur eine ganz andere Sprache gesprochen haben! Dabei bin ich als junger Mann auch konventionell ausgebildet worden, ich kenne also auch die „andere Welt“. Nachdem die Ergebnisse dieser Methoden aber für mich persönlich katastrophale Auswirkungen hatten, bin ich zu meinem alten Erfahrungswissen zurückgekehrt und habe das System weiter ausgebaut und verfeinert. Das Ergebnis ist der Krameterhof, auf dem mittlerweile Besucher aus der ganzen Welt anreisen, um zu sehen, was die Natur alles bereithält, wenn wir wieder auf sie hören!
Mittlerweile betreue ich über 200 Projekte auf der ganzen Welt. Ob es nun Norwegen, Spanien oder Ecuador ist, immer komme ich an Orte, an denen durch das alte, dogmatische Bildungswissen verödete, teils auch vergiftete Flächen entstanden sind und inzwischen keine konventionellen Renaturierungsmaßnahmen mehr greifen. Vor allem in Rußland und in Kasachstan, wo ich sogar eine direkte Einladung vom Staatspräsidenten erhalten habe, sind sehr umfangreiche Projekte geplant. Der größte Auftrag, der sich auf eine Fläche von über 500.000 Hektar erstreckt, erwartet mich derzeit jedoch in Australien. Die Bevölkerung in Kimberley und Queensland kämpft gegen Trockenheit und extreme Hitze, in Wintermonaten gesellen sich zu allem Übel noch Überflutungen hinzu. Im Gegensatz zu meiner Heimat Österreich, wirst Du in diesen Ländern respektiert und behandelt wie ein Staatsgast! Da werden einem Hilfskräfte, Ballons oder Hubschrauber zur Verfügung gestellt und man erhält alle erdenkliche Unterstützung bei seiner Arbeit.
Bei den Nachbarn, um auf Ihre Frage zurückzukommen, ist es heute wenigstens so, daß die Kinder einiger Bauern, die mich seinerzeit noch als Deppen bezeichneten, mittlerweile auch schon versuchen, mit diesen neuen Ansätzen zu arbeiten. Im Grunde sind solche Veränderungen momentan auf jeden Fall nur Tropfen auf den heißen Stein, die Vorwürfe, die man ab und an zu Gehör bekommt, werden dahingegen immer dümmer! Mittlerweile kursiert das Gerücht, bei mir würde alles nur so gut wachsen, weil ich hier oben ein „eigenes Klima“ hätte … was will man zu so einem Unsinn noch sagen? Es dauert eben ein paar Generationen, bis das alte Wissen ausstirbt und neue Denkweisen fruchten.
Wie kann man sich die von Ihnen durchgeführten Umgestaltungsmaßnahmen vorstellen? Wie transferieren Sie Ihr Erfahrungswissen ganz praktisch aufs Gelände, damit zum Beispiel Südfrüchte auf 1300 Metern Höhe gedeihen können?
Sepp Holzer: Eines ist klar: Wenn man sich nur auf Fachliteratur verläßt, ist man verlassen, dann wird man nämlich zwangsläufig am Glaubenssatz hängenbleiben, daß auf einem so kalten Berg einfach nichts wachsen kann! Liest man aber im Buch der Natur, dann wird man zur eigenen Überraschung doch Wege entdecken, die zum Ziel führen! Praktisch heißt das, man nutzt zunächst die Topgraphie des Landes und formt das jeweilige Gelände nach bestimmten, der Natur nachempfundenen Kriterien um. Anstatt also Schluchten immer nur mit Stautoren abzusperren, muß die Landschaft fachgerecht aufgebaut werden, so daß wieder Retentionsräume entstehen können. Ziel der Maßnahme ist die Schaffung einer dezentralen, mit Terrassen und Teichen durchzogenen Wasserlandschaft, durch die sich der Wasserhaushalt des entsprechenden Gebietes stabilisiert und ein Ökosystem überhaupt erst richtig funktionieren kann. Auf der größtenteils terrassierten Fläche auf dem Krameterhof befinden sich beispielsweise über 70 Tümpel und Seen mit einer Wasserfläche von über 4 Hektar! Dem korrekten Anlegen von Teichen gilt dabei ein ganz besonderes Augenmerk, da üblicherweise landauf, landab der große Fehler gemacht wird, alles mit Beton zuzukleistern! Teiche müssen aber über eine gewisse Durchlässigkeit verfügen, um mit der umliegenden Natur in Verbindung zu treten und ihre Rolle im System einnehmen zu können! Alleine mit der Umsetzung dieser Maßnahmen hätte man schon den größten Teil der Arbeit erledigt, da sich dadurch der Wasserhaushalt von selbst regenerieren würde und die entsprechende Vegetation nachwachsen könnte.
Eine andere von mir angewandte Maßnahme ist die Schaffung von Kleinklimazonen. Felsbrocken dienen dabei zum Beispiel als Sonnenfallen und strahlen die tagsüber gespeicherte Energie wieder auf die Umgebung aus. In der Nähe so eines natürlichen Kachelofens werden dann wärmebedürftige Pflanzen gesetzt! Das richtige Saatgut wäre ebenfalls ein abendfüllendes Thema. Grundsätzlich rate ich immer, vom schlechtesten Boden die stärksten Pflanzen zu verwenden, denn die bringen das beste Saatgut hervor. Hybridsaatgut oder gentechnisch veränderte Samen hingegen sind für mich ein Verbrechen gegen die Natur und gegen die Menschheit!
Und wie bringen Sie Tiere dazu, mit Ihnen zu „kooperieren“?
Sepp Holzer: In nutze einfach nur deren Eigenarten, das ist alles! Wenn man einmal davon absieht, was so ein artgerechter Einsatz an Lebensqualität für die Tiere bedeutet, habe ich bei dieser Form der Tierhaltung noch den entscheidenden Vorteil, daß ich die ganzen mühseligen Arbeiten der konventionellen Tierhaltung nicht mehr am Hals habe! Auf unserem Hof beackern zum Beispiel Schwäbisch-Hällische Landschweine den Boden, weil diese Tiere das ganz einfach von sich aus machen und dabei noch ihre Freude haben. Nachdem die Schweine den Boden durchpflügt haben, bringen wir Saatgut aus, und wenn am Ende genug Futter für alle auf dem Feld steht, kommen zunächst Rinder, dann Schafe und zu guter Letzt wieder die Schweine auf die Koppel. So wird der Boden immer ideal für unsere Bedürfnisse bearbeitet und dabei gleichzeitig auch noch gedüngt. Das alles lenkt man ganz einfach mit Futter, und deshalb können die Tiere bei uns auch frei herumlaufen, ich muß also nicht den Gefängniswärter spielen und eingepferchte Tiere mühselig im Stall versorgen.
Die Giftpflanzen, die man überall auf dem Krameterhof finden kann, helfen dabei nicht nur die Bodenchemie entscheidend zu verbessern, sie dienen den Tieren auch als Heilpflanzen! So eine Kuh kann ja nicht zur Apotheke laufen, wenn sie Bauchschmerzen hat, sie bedient sich dafür instinktiv an bestimmten, für uns meist giftigen Pflanzen … dafür muß so ein „Unkraut“ aber auch wachsen dürfen! Hinter dem, was man landläufig als Wildwuchs abtut, verbirgt sich bei näherem Blick doch immer ein von der Natur wundervoll ausgeklügeltes System.
Sie treten in Dialog mit der Natur, versetzten sich in Pflanzen und Tiere. Können Sie diesen Vorgang umschreiben? Was bezwecken Sie damit?
Sepp Holzer: Wenn wir beide hier miteinander sprechen, so muß ich mich ja auch in Sie hineinversetzen, damit ich ihre Fragen, Ihre Absichten besser verstehen kann. Genauso mache ich das auch in der Natur. Wenn ich vor einem Baum oder einer Pflanze stehe, dann versetze ich mich zunächst in diese Lebewesen hinein. Ich versuche zu fühlen, ob es mir dabei gut geht, ob alles in Ordnung ist oder ob mich etwas bedrückt. So kann ich die Befindlichkeit am besten für mich erfahren. Mit der Zeit geht man dann vom bewußten Dialog in eine Art Sehen über, man betrachtet also die Natur, und es fallen einem instinktiv irgendwelche Anzeichen auf. Wenn ich einen Zweifel spüre, dann verändere ich die Bedingungen der Anbauflächen oder Pflanzen und beobachte, was bei diesem Experiment herauskommt. Es ist eben ein Dialog: man fragt und wartet die Antwort ab.
Was würden Sie einem Städter, einem „Erdenbürger ohne Erde“ empfehlen? Wie kann er ohne Boden, die so essentielle Erfahrung mit der „eigenen Erde“ machen?
Sepp Holzer: Zunächst einmal: es darf keinen Erdenbürger ohne Erde geben! Es kann ja nicht sein, daß der Gierige mit dem großen Geldbeutel alles aufkaufen kann und der frisch geborene Erdenbürger ohne Erde auf die Welt kommt! Jeder Mensch hat von Geburt aus ein Anrecht auf ein Stück Land – und zwar, weil Menschen, die einmal auf ihrer Scholle etwas angebaut haben und ihr Land pflegen, der Natur ein Leben lang verbunden bleiben. Und wenn sie auf ihrer Scholle nur ein paar Radieschen oder Karotten anpflanzen, es ist im Gegensatz zu dem, was man im Laden kaufen kann und immer nur von Fremden hergestellt wird, echtes Eigentum, zu dem man einen lebendigen Bezug hat! Ich halte eine Landreform, die diese Gedanken endlich berücksichtigt, für längst überfällig!
Für Menschen, die aufgrund der heutigen Strukturen kein Land mehr haben, Städter also oder auch die ganzen Armen in den „Drittweltländern“, gibt es trotz allem noch Möglichkeiten, sich selbst zu versorgen und mit eigener Erde in Verbindung zu treten. Es gibt ja, egal wo man lebt, unzählige Nischen, in denen die Natur sprießen kann, beispielsweise auf Balkonen, an Hauswänden, Masten oder Brückenpfeilern. Mit dem von mir für diesen Zweck entwickelten „Bypassverfahren“ hat man hier eine wundervolle Methode an der Hand, um auf engstem Raum noch etwas Wertvolles zu erschaffen. Auch hier kann man mit Tieren, wie zum Beispiel dem Regenwurm kooperieren, in dem man das Tier in das System einbringt und es hochwertigen „Regenwurmkompost“ erstellen läßt. Die Regenwürmer machen damit die ganze Arbeit und wir erfreuen uns im Anschluß an den Bohnen, Erbsen, Kiwis, Gurken oder Zucchini. So ein System kann von Balkon zu Balkon weitergeführt werden, auch über Etagen hinweg.
Während des Interviews sprachen Sie von Natur, Kraft und Schöpfung, aber nie von Gott. Wollen Sie uns umschreiben, woran Sie glauben?
Sepp Holzer: Ich glaube, daß es eine höhere Kraft gibt, die das Wunderwerk des Lebens, der Natur, des Universums führt und belebt! Es existieren natürlich viele, teils religiöse Welterklärungen, über die man sich lange unterhalten könnte. Meiner Ansicht nach gibt es aber einen Punkt, der noch viel wichtiger ist als die meist unbefriedigende Diskussion über Glaubensfragen: ein angstfreies Leben zu leben! Ich persönlich bin davon überzeugt, daß man vor nichts Angst zu haben braucht, wenn man alles, was man macht, denkt oder sagt auch hundertprozentig vor sich selbst verantworten kann! Mit so einer Haltung verliert sich die Angst vor dem, was ist und dem, was noch kommen könnte. Den Unsinn, den mir irgendwelche „berufenen“ Mittelsmänner über Gott beizubringen versuchen, lasse ich mir auf jeden Fall nicht weismachen!