Man kann sich über die ständig steigenden Energiepreise ärgern und wie gehabt weitermachen oder man nimmt sich ein Beispiel an dem österreichischen Landwirt Wolfgang Löser, der sich aus Wut über die rigorosen Preiserhöhungen durch eine konsequente Nutzung heute verfügbarer sowie bezahlbarer Technologien innerhalb nur eines Jahres energieautark gemacht hat!
Es liest sich wie der wenig kreative Einfall eines Kolumnisten, doch kommt der durch das gleichnamige und lesenswerte Buch „Der Energierebell“ bekannt gewordene Landwirt Wolfgang Löser, seines Zeichens Herr des ersten energieautarken Hofes in Österreich, tatsächlich aus einem Ort namens Streitdorf! Nomen est omen? Ein klares Jein, denn als ich am nördlich von Wien gelegenen Bauernhof der Lösers ankomme, empfängt mich kein grantiger Rebellenführer, kein Öko-Taliban, sondern viel mehr ein angenehmer Zeitgenosse, der viel Freude an dem Lebensstil zu haben scheint, den ihn diese wie auch immer geartete Rebellion einbracht hat. Nichtsdestotrotz – das wird mir später im Gespräch klar – scheut der Landwirt aus dem niederösterreichischen Weinviertel auch ein engagiertes „Streitgespräch“ nicht, solange es einigermaßen sachlich zugeht: Löser, der Mann, dessen Frohgemut keine Zapfsäulen mehr anficht, denkt eben – letztes Wortspiel – in Lösungen.
Freundlichkeit, speziell bei meinem Gegenüber, sollte man nun aber nicht gleichsetzen mit Nachgiebigkeit oder gar mangelndem Durchsetzungsvermögen, vielmehr kam der Erfolg des Herrn Löser durch Beständigkeit … und eine gehörige Portion Wut über alte, verkrustete Strukturen zustande. „Viele Menschen denken, sie können nichts an den Begebenheiten verändern, sie meinen, sie seien auf politische Impulse angewiesen oder müssten „Autoritäten“ um Erlaubnis bitten. Ich denke, daß diese Haltung, neben aller Schwierigkeiten, die Veränderungsprozesse in der Tat auch mit sich bringen, vielfach nur Teil eines stillen Kuhhandels ist, nach dem Motto: ihr habt die Macht, wir die Bequemlichkeit, ihr die Verantwortung, wir den Hedonismus. So stagnieren wichtige Projekte, besonders in der Energiepolitik! Wir müssen uns jedoch vielmehr klarmachen, daß wir uns mitten in einer Wendezeit befinden, in der immer mehr Bürger z.B. durch eine Solaranlage auf dem Dach die großen Konzerne überflüssig machen könnten.“
Sicher, es ist einfacher sich auf die gängigen zentralistischen Strukturen zu verlassen und die „Denkrebellion“ – in welchem Bereich sie auch immer sich im Drang nach Veränderung bemerkbar macht – nicht zu wagen. Angenehmer ist es Herdentier zu bleiben, das nach jeder Verteuerung der Preise kurz obligatorisch zur Preistafel schaut, um anschließend wieder jammernd die alte Wiese abzugrasen. Die Frage ist: wie lange kann sich eine Gesellschaft den Luxus mangelnder Partizipation – ob sie nun durch die gängige „Komfortzonen-Passivität“ geduldet oder aktiv durch Energiekonzerne und ihre Lobbyarbeit unterdrückt wird, leisten? Glaubt man Menschen wie Löser, dann ist es längst Zeit für einen Wandel, warten auf die Politik oder gar Wirtschaft hält er für vergeudete Zeit. Tatsächlich hätte man die gesellschaftlichen Prozesse falsch verstanden, wenn man davon ausginge, die Gestaltung der Zukunft sei Aufgabe der Abgeordneten und der Bundestag die Ideenschmiede für geniale Innovationen. Politik kümmert sich um gesunde Machtverhältnisse, um gesetzliche Rahmenbedingungen, durch die mehrheitsfähige Ideen umgesetzt, belastbar reglementiert und vor Missbrauch geschützt werden können, kurz: klassische Administrationsarbeit. Innovationen entstanden hingegen immer schon aus bürgerlichen Bewegungen, Menschen führten sie an, die angesichts massiver Ungerechtigkeiten schlicht wütend waren oder an den bestehenden Umständen schier verzweifelten. Wut ist dabei nicht per se verwerflich, sie wird erst dann zur destruktiven Kraft, wenn sie an der immer gleichen Stelle stagniert und während der Materialisierung einer Idee – dem eigentlichen Talent des Menschen – permanent unterdrückt wird.
Entdeckt hat Löser diesen Rebellen in sich, als er vor einigen Jahren Treibstoff für seine Traktoren bestellte und angesichts einer für ihn nicht nachvollziehbaren Verteuerung des Spritpreises von 62 auf 81 Cent Empörung in sich aufkommen spürte. So konnte es nicht weitergehen, Alternativen mußten Einzug finden auf Lösers Hof und zwar rasch! Da der Landwirt zu dieser Zeit jedoch über zu wenig Know-how verfügt, um solch einen Strukturwandel mal eben umzusetzen, kontaktiert er seinen alten Kollegen Gugerell, der ihm in Erinnerung geblieben war, weil dieser – noch so ein Wütender – seit der Erdölkrise 1973 mit alternativem Kraftsoff experimentierte und seinen Fuhrpark schon seit einiger Zeit auf kaltgepresstes Pflanzenöl umgestellt hatte. Die Erkenntnisse die sein Kollege sammeln konnte, waren Gold wert, vor allem weil die Erfahrungen dieses Feldversuches ohne weiteres übertragbar waren auf andere Großbetriebe! Am Ende jenes „Sondierungsbesuches“ ist Herr Löser begeistert und vollends von der Richtigkeit seines eingeschlagenen Weges überzeugt. Durch Biomasse aus eigenem Anbau, einer ordentlichen Ölpresse könnte ihm die Unabhängigkeit vom Preisdiktat der Ölmultis gelingen.
Trotz aller Euphorie steht am Ende aber die Frage im Raum, ob dieser Schritt überhaupt rentabel ist – nach Durchsicht der Zahlen kann Löser diese Frage streng genommen nur mit einem Nein beantworten. Ein Liter Sonnenblumenöl, die Pflanze also, die dem Rebellen in spe künftig als Kraftstoff dienen soll, liegt zwar preislich auf demselben Niveau, wie der Liter Diesel, hinzu kommen jedoch noch Kosten für die Ölpresse, Tanks und die Umrüstung der Fahrzeuge. So wie es aussah, rechnete sich die ganze Sache eben einfach nicht! Angesichts der harten Fakten verblüfft ihn die Antwort seiner Mitstreiter um so mehr, denn anstatt des zu erwarteten Ratschlags, die Flinte vor lauter vernünftigen Argumenten ins Korn zu werfen, raten die von ihm hochgeschätzten Experten dazu, die geplante Umstellung einfach zu umzusetzen und nicht länger darüber nachzudenken, ob dieser Schritt rentabel sei oder nicht.
Herr Löser unterbricht die Geschichte an dieser Stelle, um in meine Richtung zu fragen: „Wann rechnet sich denn eigentlich etwas? Sind Investitionen immer von einer Rentabilitätsrechnung abhängig?“ Schon klar, worauf Herr Löser hinaus möchte und natürlich hat er Recht. Der ganze Konsum auf dem der Wohlstand der Industrieländer basiert, läuft doch in Wirklichkeit hochemotional ab, mehr noch, die Industrie zielt durch Werbemaßnahmen geradezu auf unüberlegte Spontankäufe ab! Keiner fragt, ob neue Autos, Handys, Kühlschränke oder Fernseher für den Konsumenten rentabel seien, geschweige denn, über welchen ökologischen Fußabdruck ein Gerät verfügt. Wie rentabel sind Atomkraftwerke noch, wenn die versteckten Kosten mit in die Rechnung fließen? In Wirklichkeit sind fast alle Investitionen nicht rentabel, wir leisten sie uns einfach, weil wir sie haben wollen oder weil uns andere suggerieren, wir müssten sie haben! Fragt man Löser, so ist der Blick auf die Rentabilität in Wirklichkeit mehr eine perfide Fangfrage, die man gezielt bei den Erneuerbaren Energien und hier speziell bei der Photovoltaik gestellt bekommt! Löser meint, dies sei eine Strategie der fossilen Energiewirtschaft, die sich mit derlei Pseudoargumenten im Gewissen der Menschen festsetzen wolle. Die Antwort auf die Frage, ob sich alternative Energie rechnen, ist für den Energierebellen indes sehr einfach zu beantworten: „Erneuerbare Energien rechnen sich immer und sie zahlen sich noch viel mehr aus! Photovoltaik gehört zu den billigsten Stromarten, weil die Energie immer gratis ist!“. Die Frage, die Löser für weit angebrachter hält und die auch die Kosten-Nutzen-Rechnung relativieren würde, lautet viel eher:“ Mit welchem Energiesystem sind wir am besten auf die Zukunft vorbereitet? Wie wird unser Leben funktionieren, wenn der Kraftstoff 3.50 € und das Heizöl 2,- € pro Liter kostet?“. Man sollte bei dieser eigenartigen Diskussion, die vorgaukelt, es gäbe keine Alternative zur Ölenergie, nicht vergessen, daß das weltweite Fördermaximum für leicht gewinnbares Öl (Peak Oil) bereits erreicht ist und die Dieselpreise sich innerhalb der letzten 10 Jahren verdoppelt haben. Öl wird teurer werden, Umweltkatstrophen werden durch riskante Tiefseebohrungen zunehmen – es ist leicht auszumalen, welche Zukunft uns anhand dieser fatalen Weichenstellungen noch erwartet …
Bevor Löser sich zu irgendwelchen einschneidenden Maßnahmen durchringen kann, beteiligt er sich im Zuge seines frisch erwachten Strebens nach mehr Unabhängigkeit zuvor noch an einer nahe gelegenen Windkraftanlage. Während der einige Tage später einberufenen Vollversammlung der Anteilseigner fällt ihm ein älterer Herr auf, der derart couragiert und profund zum Thema Energie und Energiewende spricht, dass er binnen weniger Augenblicke Lösers volle Aufmerksamkeit und – die Widmung seines Buches bezeugt es – auch dessen Bewunderung erlangt. In seinen Erläuterungen bezeichnet Löser jenen Franz Nießler als den Pionier für Erneuerbare Energien in Europa. Sein in Insiderkreisen bekannter Wiener „Energiestammtisch“ wird zu Lösers neuem – wie er es selbst nennt – „Lebensmittelpunkt“, zum Motor seiner noch in der Schwebe stehende Unternehmung. Es dauert nämlich noch eine gewisse Zeit, bis Löser die unzähligen neuen Impulse und Detailfragen zu einem brauchbaren System zusammenfügen kann, eine Findungsphase, der für Außenstehende wie z.B. Lösers Ehefrau, bisweilen wohl sehr anstrengend gewesen sein muss: zu viel Theorie, zu viel Konjunktiv, zu wenig Konkretes. Als ihr am Ende der Geduldsfaden reißt und sie die Gedankenblase ihres Mann mit den Worten „Rede nicht so viel, mach etwas!“ zum Platzen bringt, setzt sie damit quasi den Startschuss für das Großprojekt auf dem Hof!
Für Lösers ehrgeizige Pläne musste zunächst einmal der komplette Fuhrpark, der ja künftig mit Pflanzenöl betrieben werden sollte, modifiziert werden; selbstredend, dass ein gelernter KFZ-Meister wie Löser die Umrüstung selbst in die Hand nimmt. Das Ergebnis des Umbaus konnte sich in jederlei Hinsicht sehen lassen, denn Verbrauch und Leistung der Motoren stimmten nach wie vor, während die Abgaswerte sich sogar noch verbesserten. Zudem erwiesen sich die umgerüsteten Fahrzeuge als absolut robust, von der viel geunkten Reparaturanfälligkeit keine Spur. Am Ende investiert Löser noch in eine Ölpresse, die mit satten 10.000,- € den größten Posten ausmacht. Teuer, sicher, doch zugleich bezahlte der Landwirt Jahr für Jahr dieselbe Summe allein für den Sprit, der auf dem Hof benötigt wurde – lieber einmal in eine Ölpresse investieren, als jedes Jahr dieselbe Summe für Diesel ausgeben.
Heute wird der gesamte Treibstoff des Hofes aus Sonnenblumenkernen erzeugt, die auf Lösers Feldern wachsen. Von Vergeudung wertvoller Ackerbaufläche kann hierbei nicht die Rede sein, denn während traditionell noch 30% der Ernte an Zugtiere verfüttert wurde, benötigt Löser heute nur noch 10% der Anbaufläche, um seine Traktoren, Geländewagen und auch den alten Golf seiner Frau mit Treibstoff vom Feld zu versorgen. Die dazugehörige Rechnung ist einfach: Die hausinterne Ölpresse produziert aus 3 Kilogramm Sonnenblumenkernen 1 Liter Pflanzenöl, wobei Löser pro Hektar ca. 3000 kg Sonnenblumenkerne ernten kann. Aus 10 Hektar Sonnenblumen entstehen auf diese Weise 10.000 Liter Sprit, mehr, als der Landwirtschaftsbetrieb inklusive des Zweifamilienhaushaltes überhaupt benötigt.
Löser deckt mit seinen Sonnenblumen aber nicht nur den Kraftstoffbedarf des Hofes ab, der als „Abfallprodukt“ der Sonnenblumenernte entstehende und mit 2000 kg pro Hektar recht üppig anfallende Presskuchen generiert wiederum Einnahmen in Höhe von 200,- € pro Tonne, also 400,- € pro Hektar! Finanziert wurde die komplette Anlage in dem Familie Löser einfach auf den Kauf eines neuen Fahrzeuges verzichtete und das dafür vorgesehene Geld in die technische Infrastruktur investierte. Löser will damit sagen, dass dieser Erfolg für jeden machbar ist, vorausgesetzt die Prioritäten stimmen und man läßt sich nicht von der Werbemaschinerie locken. Als schließlich die erste Ölproduktion anläuft, kann Löser sein Glück kaum fassen: „Ich hatte meinen eigenen Sprit vom Acker. Eine noch nie gekannte Euphorie stellte sich ein. Sie machte mir bewusst, was Unabhängigkeit bedeutet. Das übertraf alle meine Erwartungen! Jetzt erst hatte ich die Tragweite einer eigenen Energieversorgung verstanden: Ich bin mein eigener Ölscheich!“
In Puncto Heizen war Löser schon lange zuvor aktiv, in dem er auf das in Mode gekommene Heizöl verzichtete und weiterhin Hackgut einsetzte. Im Jahr 2000 investierte Löser in einen Hackgutkessel mit Vorofen der zwar neuwertig aber lange nicht auf dem aktuellen Stand der Technik war. Der Vorteil: die Anlage kann von Löser relativ einfach selbst gewartet und repariert werden. Die Robustheit der Anlage und die Unabhängigkeit von teuren Anlageelektrikern schätzt Löser viel höher ein, als ein besonders hoher Wirkungsgrad. Der Warmwasserbedarf des Hofs werde aber nicht von der Heizanlage bereitgestellt, sondern – er zeigt aus dem Fenster – von den Sonnenkollektoren auf dem Dach da drüben. Mit dieser Anlage steht der Familie rund um die Uhr warmes Wasser zur Verfügung.
Über kalte Füße kann ich mich auf jeden Fall während des Interviews nicht beschweren. Tatsächlich fällt auf, dass das riesige Haus warm ist, für meinen Geschmack viel zu warm! Durch die Maßnahmen rund um den Hof entsteht derart viel Energie zum Nulltarif, dass Herr Löser sich diesen Luxus einfach erlauben kann und will. Wer jedoch nach einer besonderen Hausisolierung, einer ausgeklügelten Heizanlage oder ähnlichem sucht, liegt hier falsch. Lösers Hof ist kein Hightech-Eldorado, das Konzept beruht schlicht auf der konsequenten Nutzung der für alle Belange üppig zur Verfügung stehenden Energie, die ihm die Natur Tag für Tag zur Verfügung stellt und zwar ohne – vielbenutztes Schlagwort – das Ganze je in Rechnung zu stellen!
Nach Heizung, Warmwasser und Treibstoff fehlte am Ende noch die alternative Stromversorgung. Zwar wurde mit der Beteiligung an der oben genannten Windkraftanlage bereits ein Teil des Stromes auf diese Weise eingespeist, um aber den kompletten Bedarf regenerativ abzudecken, bedurfte es einer weiteren Investition. Aus diesem Grund kaufte Löser noch Photovoltaikkollektoren und ließ sich die ca. 22 qm große Anlage aufs Dach montieren. Die eigenartigen Regelungen zur staatlich garantierten Einspeisevergütungen in Österreich bringen es für die meisten Photovoltaikbesitzer mit sich, dass sie kein Geld für ihren eingespeisten Strom bekommen. Löser macht sich nichts daraus, dass er den Strom nicht verkaufen kann, denn er verwendet die von ihm selbst produzierte Energie für den Hof, die Pflanzenölpresse und die beiden Privathaushalte. „Der Stromzähler läuft für mich rückwärts! Besser geht es doch nicht!“. Das Faszinierende an Lösers Weg: es dauerte lediglich ein Jahr, um sich von externen Energielieferungen zu befreien und seinen Betrieb zum ersten energieautarken Bauernhof Österreichs zu machen!
Wir laufen durch das Haus, Löser geht voran, er dreht sich ab und an um, gestikuliert während etwas erklärt und immer schwingt diese Zufriedenheit über sein Werk mit, ist diese Freude spürbar. Klar, der Mann hat – und so sollte es doch auch sein – einige Existenzängste weniger, kann sich wieder auf das Wesentliche im Leben konzentrieren, weil ihn die Lebenshaltungskosten nicht den letzten Nerv kosten. Mehr als das Fehlen dieser Sorgen trägt ihn der Stolz, ein funktionierendes System geschaffen zu haben, das nachhaltig ist und … mit dem auf einem Schlag mindestens ein Drittel der Gedanken verstummen, die Ottonormalverbraucher üblicherweise belagern und rastlos werden lassen. Wir sitzen in der Küche, Löser reicht mir einen selbstgemachten Apfelsaft, an der Wand neben mir hängen Bilder seiner Kinder und Enkel, alles beschaulich und bodenständig. Löser lebt seine Vision, er hat seine Energiekosten selbst in der Hand und wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass dieses Glück jedem offenstehen kann.