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Fassadendämmung: Eine Öko-Legende?

Was bringen die aktuellen Wärmedämm-Konzepte wirklich? Wie sinnvoll ist es, Hausfassaden mit Problemstoffen wie Styropor zu verschließen? Eine kritische Bestandsaufnahme.

Eigentlich, so mag man auf den ersten Blick denken, scheint der Trend zur thermischen Fassadensanierung vor dem Hintergrund horrender Energiekosten und den heute so drängenden Umweltproblemen doch ein recht vernünftiger Schritt zu sein. Ist das Haus erst alt – so die weit verbreitete Logik – ist es „undicht“, ergo entweicht Energie durch die Ritzen der maroden Bausubstanz und mit ihr auch eine Menge Geld. Tatsächlich schätzen Experten den Anteil nutzlos abfließender Heizenergie durch schlecht isolierte Außenwände auf bis zu 40 Prozent. Verständlich, daß Hauseigentümern die Verlustangst im Nacken sitzt und sich viele fortan das Hirn zermartern, wie man schnellstmöglich eine wärmedämmende „Styropor-Burka“ ums Haus bekommt.

Der Druck handeln zu müssen, steigt dabei in Deutschland noch durch ständig sich verschärfende Gesetzesvorgaben im Rahmen der sogenannten „Energiesparverordnung“, kurz EnEV. Dazu muß man wissen, daß die Wärmedämmung von Häusern einer der wichtigsten Bausteine des deutschen Klimakonzeptes ist. Mit ihr versucht die Bundesregierung, den CO2-Ausstoß von Wohngebäuden gemäß der im Kyoto-Protokoll festgelegten Klimaziele bis 2050 um 80 Prozent zu senken und gleichzeitig die Energieeffizienz zu steigern. Da deutsche Haushalte immerhin 40 Prozent der erzeugten Gesamtenergie verbrauchen und für 20 Prozent des Kohlendioxidaufkommens verantwortlich zeichnen, scheint eine derartige Miteinbeziehung der Immobilienbesitzer an den wichtigen Klimazielen ein durchaus nachvollziehbarer Schritt zu sein. Volkswirtschaftlich betrachtet, werden in Wahrheit jedoch – ähnlich wie bei der aktuellen Diskussion um die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage – diejenigen finanziell bestraft, die Energie einsparen und ökologisch zudem viel weniger am CO2-Ausstoß beteiligt sind!

Eine vom Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos durchgeführte Untersuchung verdeutlicht dieses Ungleichgewicht bei der finanziellen Verteilung der Zukunftsaufgaben. Laut Studie müssen allein Hauseigentümer für die anvisierten CO2-Ziele bis 2050 knapp 838 Milliarden Euro investieren, demgegenüber stehen Energieersparnisse von lediglich 372 Mrd. Euro ¬– den Verlust von 466 Mrd. Euro zahlen die Bürger bis auf ein paar staatliche KfW-Fördermittel voll aus eigener Tasche! Brisant wird diese Rechnung vor allem, weil das Gros der Beratungsstellen, angefangen bei der Deutschen Energie-Agentur, bis hin zum relativ jungen Berufsstand des Energieberaters, seit Jahren mit unrealistischen Zahlen hantieren und Hausbesitzern mit Kosteneinsparungsversprechen von bis zu Prozent 80 Prozent eine Sanierung schmackhaft machen wollen. Das Einsparpotential sei allerdings, so sind sich viele Experten heute einig, bei weitem nicht so hoch wie angegeben wird. Reell blieben unterm Strich – zumindest beim hochproblematischen Dämmstoff Styropor – meist nicht mehr als magere 15 Prozent an Heizkostenersparnis übrig!

Auf der anderen Seite schlagen bei einer 12 Zentimeter staken Polystyroldämmung Investitionen von 90 bis 130 Euro pro Quadratmeter zu Buche. Im Schnitt belaufen sich die Kosten für die reine Außendämmung eines Einfamilienhaushalts auf rund 17.000 Euro; die thermische Komplettsanierung von Dach, Keller, Fenster und Fassade ist unter 70.000 Euro kaum machbar! Bei einem Einsparpotential von lediglich 15 Prozent rechnet sich so eine Dämmung nicht, sie müßte dafür in den meisten Fällen über ein halbes Jahrhundert ihren Dienst verrichten – und zwar ohne kostspielige Reparaturen und bei stets gleichbleibendem Dämmwert – praxisferne Annahmen, weil Wärmeverbundsysteme schadensanfällig sind.

Die enorme Diskrepanz zwischen beworbener Kostenersparnis und dem Praxiswert ergibt sich auch, weil Energieberater meist gar keine Messungen vor Ort durchführen, sondern sich einfach auf (alte) statische Modelle verlassen – etwa auf die Annahme, der zu sanierende Wohnraum werde 24 Stunden am Tag mit 20° C beheizt. In Wirklichkeit hat sich das Heizverhalten in den letzten Jahren völlig verändert. Heute ist klar; selbst unsanierte Häuser verbrauchen weit weniger Energie, als bislang immer vorausgesetzt wurde.

Wie so oft bei einem Trend, werden die üblichen Kosten-Nutzen-Rechnungen jedoch kaum reflektiert. 2010 investierten alleine deutsche Hausbesitzer mehr als 16 Milliarden Euro in die Isolierung ihrer Wohngebäude, bis 2020 prognostizieren Experten gar eine Verdoppelung dieser Investitionssumme! Dabei ist das vergleichsweise günstige Polystyrol das Dämmmaterial der Wahl; je dicker die weißmatte Verbundplatte, so der Glaube, desto besser die Energieausbeute. 12 Zentimeter würden aufs Jahr gerechnet 12 Liter Heizöl pro Quadratmeter ersparen, und ein einziges Kilogramm verbautes Polystyrol spare, so der Chef des „Hartschaumverbandes“, in 50 Jahren mehr als 200 Liter Heizöl!

Solche Behauptungen werden von vielen Experten mittlerweile kritisiert. Vor allem aber wird der vergleichsweise billige Wärmeverbundstoff grundsätzlich immer stärker in Frage gestellt, denn es scheinen hohe Risiken von ihm auszugehen, wie z.B. die Belastung des Grundwassers, Brandgefahr, Schimmel- oder Algenbildung. Außerdem sind die Hausbesitzer gleichzeitig mit einem Sondermüllproblem konfrontiert, denn ein Recyclingkonzept für die Styropordämmung existiert bislang nicht; die Frage, wer die zukünftigen Entsorgungskosten tragen muß, wird bislang nicht diskutiert. Im Augenblick werden Dämmplatten wegen dieser diffusen Lage noch in Abfallverbrennungsanlagen verfeuert.

Das größte Problem einer vollflächigen Polystyroldämmung und aller anderen zwischenzeitlich auf den Markt drängenden Kunststoffbeschichtungen liegt im Dämmprinzip an sich. Anorganisches Material wie Polystyrol speichert keine Wärme, es isolieren lediglich. Da auf dieser thermischen Einbahnstraße die Sonneneinstrahlung außen vor bleibt, kann sich mit der Zeit zwischen Dämmschicht und kalter Hauswand Kondenswasser absetzen, das nicht zirkulieren und dadurch auch nicht kondensieren kann. Die Isolierschicht verliert auf diese Weise immer mehr von ihrer Dämmfähigkeit, ähnlich wie bei einem permanent nassen Kleidungsstück. Unter derartigen Bedingungen ist es dann letztendlich auch egal, ob die Dämmschicht am Ende 12 oder – diesen Trend gibt es auch – 30 cm dick ist, sie wirkt einfach nicht, wie sie soll.

Der kritisch zum heutigen Dämmtrend stehende Bauingenieur Matthias Bumann beschreibt den durch Polystyrol erzeugten Teufelskreis wie folgt: „Das Gesamtpaket aus Wand und Dämmschicht funktioniert von Jahr zu Jahr schlechter. Die Bewohner müssen zunehmend gegen ein feuchtes, ungemütliches Raumklima anheizen. Dieser Effekt kann sich mit der Zeit so auswirken, daß das gedämmte Haus mehr Heizenergie braucht als die nicht gedämmte Doppelhaushälfte des Nachbarn. Eine einfache, nicht ganz hell verputzte Ziegelwand kann auch im Winter noch von der Sonnenstrahlung profitieren, was mit einem Wärmedämmverbundsystem völlig entfällt.“

Hinzu kommt noch, daß ein feuchtkaltes Milieu die Schimmel- und Algenbildung befeuert und auch Bauparasiten auf den Plan bringt. Der darauf folgende Kampf gegen dieses Problem erfolgt meist per Pestizidauftrag … oft mit gravierenden Folgen für das Grundwasser!

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollte der Blick auf die Ökobilanz des Dämmstoffes. Polystyrol besteht zum Großteil aus Erdöl oder auch Erdgas, also aus genau jenen energieintensiven und bald zur Neige gehenden Problem-Rohstoffen, die man für eine nachhaltigere Zukunft meiden sollte. Ökologisch hochproblematisch ist dabei ebenfalls der Einsatz des ozonschädigenden Treibmittels HFKW, das über lange Zeit aus dem Dämmstoff ausdiffundiert. Zudem enthalten Polystyrol-Dämmstoffe noch Hexabromcyclododekan, ein Flammschutzmittel, das laut europäischer Chemikalienverordnung REACH als hochgiftig für Mensch, Ökosysteme oder Organismen eingestuft wird.

Zweifelsohne gilt es nach wie vor Ressourcen zu schonen, heute mehr denn je! Solarkraft, Energierückgewinnung, Effizienzsteigerung bei Heizungsanlagen oder der konsequente Einsatz regenerativer Dämmmaterialien an der Fassade – all dies sind wichtige Maßnahmen für den Umweltschutz mit viel Potential für die Zukunft. Überdies gibt es genügend erprobte Alternativen zum Problemstoff Styropor, zum Beispiel mit Perlit gefüllte Ziegel, Mineralwolle, Holzfaserdämmstoffe oder die Dämmungen per Zellulose, Hanf, Lehm oder Schurwolle – Materialien, die in der Anschaffung sicher teurer sind, dafür aber keine ökologischen Nachteile mit sich bringen und sich auf die Zeit betrachtet doch rechnen. Wichtig erscheint also, wie überall im Leben, sich selbst schlau zu machen, und nicht einfach unreflektiert einer „Öko-Legende“ zu glauben.

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