lebenswertes

„Wir führen den Dritten Weltkrieg – gegen die Natur!“ – Franz Alt

Die meisten kennen den engagierten Journalisten und Umweltaktivisten aus dem ARD-Politmagazin »Report«. Als Pionier der ersten Stunde setzt Franz Alt sich für die Etablierung erneuerbarer Energien ein und ist – wie sich im Interview zeigte – nach wie vor ein hellwacher Geist, der voller guter Ideen steckt!

Die Bandbreite dessen, was man Sie fragen könnte, ist ja ziemlich uferlos. Als altgedienter Journalist berichten Sie nämlich nicht nur über Umweltschutz- und Menschenrechtsfragen, über soziale wie politische Themen, Sie engagieren sich auch noch aktiv für die meisten dieser Problemfelder, wie man unter anderem auch auf Ihrer sehr interessanten wie umfangreichen Webseite www.sonnenseite.com sehen kann. Woher nehmen Sie Ihre Motivation, und was sind die Ziele Ihrer Arbeit?

FRANZ ALT: Der einfachste Grund, den ich nennen kann, ist, daß ich an unsere Kinder und deren Zukunft denke, ein Gedanke, der mich immer motiviert! Außerdem frage ich mich natürlich nach dem Sinn des Lebens. Dieser Sinn kann ja sicherlich nicht darin bestehen, daß wir den Planeten ruinieren!

Der Mensch ist nicht dazu da, um in einer Generation alles roh und planlos zu verbrauchen. Viel eher muß der Sinn darin liegen, so zu handeln, daß auch alle künftigen Generationen noch ein gutes Leben führen können! Wir müssen uns also schnell klarmachen, daß wir diese Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern nur von unseren Kindern geliehen haben! Wenn wir das verstehen, dann machen wir letztlich etwas für den Erhalt des wundervollen Planeten. Darin liegt auch meine Motivation!

Was mich an Ihren Vorträgen, Büchern und Artikeln oft beeindruckt, ist diese treffsichere Verbindung zwischen den Objekten der materiellen Welt, beispielsweise die heutigen Umweltprobleme, und der immateriellen Welt der Ursachen. Sie spannen in schönen Gleichnissen erstaunliche Bögen zwischen Ursache und Wirkung, also zwischen dem Geist und der von ihm bewegten Materie, und zwar so, daß man auch ganz konkret im Alltag etwas damit anfangen kann.

FRANZ ALT: Die Technik alleine, also ein rein materialistischer Ansatz, wird uns ja auch nicht weit bringen …

Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker sieht es mit seinem technologieoptimistischen Ansatz in „Faktor Vier“ aber tendenziell ein wenig anders.

FRANZ ALT: Ja, natürlich brauchen wir Technologie, kein Zweifel, doch leider setzen wir diese viel zu wenig ein! Wir verfügen über effiziente Technik, nutzen Sie aber nicht, das ist das heutige Dilemma. Ich denke, erst wenn die Technik in der Hand einer gesunden Spiritualität liegt, kann sie auch etwas Gutes bewirken und unsere Umweltprobleme lösen helfen. Wir brauchen so gesehen die Alltagstechnik und die Sonntagsspiritualität in einem!

Wenn wir jedoch weiterhin in der Trennung dieser Pole wirken, dann wird das auf die Dauer nicht gut gehen! Wir benötigen dringend eine Spiritualität für den Alltag, und das meint nichts weiter, wie den bewußten Umgang mit den normalen Gütern, also der Waschmaschine, dem Auto, dem Kühlschrank usw. Wenn wir hier sensibler werden, dann haben wir eine gute Grundlage zum Weiterleben!

Letztlich sollte klar werden, daß wir bei diesen sogenannten spirituellen Werten oder auch großen Sätzen wie das Jesuswort „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ auf verbindende Urweisheiten treffen, die in allen Religionen und bei allen Weisheitslehrern wiedergegeben wurden. Wir müssen lernen, daß dies kein Zufall ist, sondern daß es sich um tiefe Einsichten in unsere menschliche Existenz handelt. Einsichten, die auch noch heute gelten und uns jeden Tag etwas verdeutlichen wollen! Frommes Erschauern in heiligen Räumen bringt uns wenig, wenn diese Sensibilität nur dort verbleibt.

Wie wird man denn spiritueller? So wie ich das sehe, kleben wir an unseren Gedanken, identifizieren uns damit und merken nicht, daß diese Maschinerie nur eine materielle Wirklichkeit abbilden kann. Wie schafft man denn den Schritt zurück zum gesunden Miteinander zwischen dem Werkzeug Verstand, aus dem die Gedanken und Gefühle resultieren, und dem eigentlichen Ich des Menschen, seinem immateriellen Geist mit seiner Empfindungsfähigkeit?

FRANZ ALT: Indem man die Stille und Ruhe sucht! Wenn ich die großen Meister betrachte, denen wir so viel spirituelle Weisheit zu verdanken haben, dann erkennt man, daß jede dieser Biographien Phasen aufweist, in denen sich diese Menschen zurückgezogen, meditiert oder lange nachgedacht haben. Ich persönlich beispielsweise schaffe mir jeden Tag ein paar Augenblicke der Ruhe. Das ist mir wichtig!

Der Trend sieht aber eigentlich ganz anders aus. Zig Tätigkeiten auf einmal, Ablenkung. Die laute Welt da draußen ist doch eher auf Zerstreuung ausgelegt.

FRANZ ALT: Ich sehe aber auch Gegenbewegungen! Zahlreiche Menschen gehen heute wieder pilgern, Manager gehen ins Kloster und außerdem entdecken viele die Kraft des Gebetes wieder. Ich hoffe jedenfalls, daß die Waage zwischen Spiritualität und der Materie wieder in Balance kommt.

Es gibt ein Buch von Ihnen mit dem interessanten Titel „Der ökologische Jesus“. An einer Stelle sprechen Sie dort von „Tiefen-Ökologie“. Was meinen Sie mit diesen Begriffen?

FRANZ ALT: Die meisten Ökologen, Umweltpolitiker oder Umweltbewegungen haben die letzten 30 Jahre überwiegend technisch argumentiert und kaum spirituell! Das Ergebnis: unserer Umwelt geht es immer schlechter! Auch ich habe früher gerne technisch argumentiert, habe in den ganzen Fernsehsendungen und auch in meinen Büchern immer die neuesten technologischen Trends aufgezeigt.

Irgendwann ist mir dann jedoch klar geworden, daß nach den Veröffentlichungen meistens immer nur ein paar tausend Menschen mitmachen. Das ist im Grunde ja auch nicht schlecht, allerdings wäre es doch besser, wenn gleich ein paar Millionen mitmachen würden! In Anbetracht dieser mageren Ausbeute überlegte ich, wie wir den Durchbruch schaffen, also mit welchen Mitteln wir die Massen, die Mehrheit der Menschen gewinnen können.

Ich habe dann eingesehen, daß der ersehnte Wandel nicht funktionieren wird, wenn ich weiterhin nur technisch argumentiere. Die Technik allein kann uns nicht retten! Aus diesem Grund beschäftigte ich mich lange mit dem Ansatz, wie ich tiefere Schichten im Menschen ansprechen kann, ohne dabei jedoch ständig technische „Kopfbotschaften“ zu versenden, die stets nur einer kleinen Gruppe zugänglich sind. Irgendwann während dieser Überlegungen war ich dann zu zwei verschiedenen Jahreszeiten am See Genezareth, wo ich mir die alten Jesusgeschichten betrachtete.

Ich versuchte mich hineinzuversetzen, wie es hier vor 2000 Jahren wohl war und vor allem, wie dieser besondere Mann damals auf jene großartigen spirituellen und auch ökologisch Bilder wie „Achte die Vögel des Himmels“, „Schaut die Lilien des Feldes“ oder beispielsweise von „Sämann und Acker“, von „Hundertfacher Frucht“ usw. kam. All diese Gleichnisse sind ja letztlich unglaublich moderne wie ökologische Bilder! Ab einem Zeitpunkt ist mir dann plötzlich diese glasklare Verbindung zwischen Spiritualität und Ökologie aufgegangen, die so wunderbar das ganze Neue Testament durchzieht!

Ich glaube, es ist die große Tragödie der gesamten Theologie, daß sie in einem theoretischen Wolkenkuckucksheim lebt und vor lauter Dogmatismus und Abgrenzung die Erdung verloren und mit dem wahren Leben nichts mehr zu tun hat! Jesus war zum Glück für die Menschheit kein Theologe. Er war ein Naturbeobachter! Er war ein Ökologe, aber kein Theologe! Für mich ist das Wunderbare an dem wundervollen jungen Mann aus Nazareth, daß er eben ein großer Naturbeobachter war, und somit sind seine ganzen Bilder im Grunde genommen ökologisch zu verstehen.

Wir haben Jesus ja nicht vergessen, weil er uns irgendwelche theologischen Konstrukte auftischte, sondern weil er uns Bilder aus dem Alltag gebracht hat, die jeder Bauer oder Handwerker verstand und versteht. In „Der ökologische Jesus“ wollte ich deswegen Technik und Ethik auf Basis dieser Bilder zusammenzuführen. So wie ich in den 80er-Jahren versucht habe, einen tiefenpsychologischen Zugang zum Neuen Testament zu bekommen, entstand mit diesem Buch ein ökologischer Zugang.

Mit solch einem bewußten, ökologischen Zugang zur Welt, ist Naturschutz dann keine primäre Angelegenheit einer grünen Partei mehr, sondern plötzlich das ureigene Anliegen eines jeden Menschen! Man holt die Menschen aller Couleur ins Boot, wenn man spirituell argumentiert und ihnen klarmacht, daß es diese strickte Trennung zwischen der Innen- und Außenwelt so nicht gibt.

Man spricht somit schlicht das Herz eines jeden Menschen an! Diese Moral ermöglicht einen viel tieferen Zugang zu den wichtigen menschlichen Fragen, und nur so, also im persönlichen inneren Wachstum, im Bewußtwerden können wir uns und damit den Planeten überhaupt retten.

Würden Sie sich als konservativ bezeichnen?

FRANZ ALT: Ich würde mich als wertkonservativ bezeichnen. Dies bedeutet für mich, sinnbildlich gesprochen, aber nicht die Asche zu hüten, sondern viel mehr die Flamme zu entfachen!

Ihrem Buch „Frieden ist möglich nach, kann ein Windrad den Weltfrieden ermöglichen! Erklären Sie uns doch bitte, wie das funktionieren soll.

FRANZ ALT: Den meisten Menschen ist doch klar, daß Kriege um Öl geführt werden! Die heutige Energiefrage ist im Grunde immer auch eine Kriegsfrage! Ist es nicht eigenartig, daß sich die meisten Terrorgruppen unserer Tage aus den Ländern mit den Ölvorkommen rekrutieren? Nicht nur der Irak-Krieg, auch der Afghanistan-Krieg ist ein Krieg um Öl. Auf den ersten Blick scheint das zwar widersprüchlich, da Afghanistan ja über keine eigenen Öl- und Gasvorkommen verfügt. Betracht man die Landkarte genauer, so sieht man jedoch, daß alle umliegenden Nachbarländer voll mit diesen Energierohstoffen sind!

Afghanistan befindet sich inmitten eines riesigen, noch nicht erschlossenen Erdölgebiets. Wenn man an dieses Öl möchte, dann muß man natürlich durch das bitterarme Land am Hindukusch hindurch, um die ganzen Pipelines auf den Weg gen Westen zu bringen! Sie sehen: es geht immer um Energie! Der I. wie der II. Weltkrieg waren Kriege um Energie. Hitler wollte mit aller Macht an die Öl- und Gasreserven in Zentralasien gelangen.

Der I. Weltkrieg entschied sich zugunsten der Achsenmächte, weil die Engländer ihre Schiffe bereits mit Öl beheizten, während die deutsche Flotte noch mit Kohle angetrieben wurde. Es ist immer die Energiefrage, die am Schluß auch kriegsentscheidend ist. Wer die modernste Energietechnologie hat, der gewinnt am Ende den Krieg! Wegen dieser Abhängigkeit kann uns ja beispielsweise ein Herr Putin auch schnell einmal den Gashahn abdrehen und uns somit erpressen.

Nun die Frage: Wie soll das bei der Sonne, beim Wind gehen? Sie können keinen Krieg um die Sonne führen! Sie können den Wind nicht abdrehen. Ein Terrorist wird doch nie einen Anschlag auf ein Windrad durchführen, schlicht weil da nichts Aufsehenerregendes passiert! Ein Anschlag auf ein Atomkraftwerk hingegen mutiert sofort zu einer schlimmen globalen Bedrohung, einem Super-GAU! Sie sehen, um die alte Energie werden nicht nur Kriege geführt, sondern man muß auch damit rechnen, daß entgegenstrebende Ideologien Terroranschläge ausüben werden. Bei erneuerbaren Energiequellen geht das nicht!

Deswegen ist, um auf Ihre Frage zurückzukommen, ein jedes Windrad auch ein Zeichen des Friedens! Sie können weder Krieg führen um Wind, noch müssen sie einen Anschlag darum befürchten. Mit der Sonne verhält es sich ebenso. Die große politische Alternative des 21. Jahrhunderts heißt deshalb: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne! Was wir heute allerdings machen, ist der III. Weltkrieg gegen die Natur – ein Krieg gegen uns selbst! Die Zerstörung der Natur und des Klimas ist ein Krieg gegen uns selbst, denn wir sind ein Teil der Natur.

Obamas Ansätze geben in Europa Grund zur Hoffnung. Er teilt humanistische Gedanken und ist bei bilateralen Gesprächen im Gegensatz zu seinem Vorgänger zu einer fairen Diskussion fähig. Vor allem setzt er sich aber für nachhaltige Energien ein, da er diesen Bereich neben aller Ökologie auch als den Marktplatz der Zukunft erkannt hat.

In den USA startet derzeit zum Beispiel ein milliardenschweres Konjunkturprogramm zur Modernisierung der Stromnetze. Doch der Stern scheint schon wieder zu sinken; schlechte Umfragewerte, Verleumdungskampagnen übelster Art und der Haß der Konservativen auf Obama scheinen seinem Amt zu schaden. Wieviel können wir von einem Amerika unter Obama noch erwarten, gerade in Punkto Umweltschutz?

FRANZ ALT: Noch sehr viel, so hoffe ich. Die Frage ist, wieviel Zeit ihm noch bleibt. Ich teile ihre Einschätzung von der Lage des Präsidenten. Vor allem die Republikanische Partei mit ihren ewigen Diffamierungskampagnen blockieren zu oft die meisten Fortschritte im ökologischen Bereich. Seltsamerweise beruft man sich in dieser Fraktion traditionell am lautesten auf die Bibel und zettelte in der Vergangenheit in deren Namen so manche Kriege an.

Diese christlichen Fundamentalisten sind natürlich keinen deut besser wie die übrigen anderskonfessionellen Fundamentalisten dieser Erde! Die Schlimmsten sind gerade die, welche ihr Handeln noch religiös verbrämen. Bei diesen Machtspielen wird leider das an sich gute Potential in der Religion dermaßen mißbraucht, daß es für die gemäßigte Allgemeinheit oft nur noch abschreckend wirkt. Was die heftigen und teils unsachlichen Angriffe gegen Obama angeht, so muß ich schon sagen, daß man manchmal um das Leben dieses Präsidenten bangen muß, schon alleine deswegen, weil er zu allem noch der erste farbige Präsident de USA ist.

Zum anderen hat er hat zwar viele gute Ideen, doch bis jetzt blieben diese Vorstellungen nur Ankündigungen, umgesetzt wurde bisher noch sehr wenig. Er ist eben erst am Anfang seiner Arbeit, ob es da richtig war, ihm gleich den Nobelpreis zu überreichen, bleibt die Frage. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, wenn das Nobelkomitee noch so lange gewartet hätte, bis Obama etwas vorzuweisen gehabt hätte. Bei aller Sympathie für diesen Mann, ist es doch das erste Mal, daß ein Friedensnobelpreis für Worte und nicht für Taten vergeben wurde!

 

Wie sieht Ihrer Meinung nach eine intelligente Energiepolitik der Zukunft aus?

FRANZ ALT: Intelligent kann eine Energiepolitik nur sein, wenn sie zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen besteht! Das ist zwingend notwendig, da die alten Energien zu Ende gehen und uns zudem riesige Probleme bereiten. Atomenergie ist gefährlich, und keiner weiß, wo und wie der strahlende Müll entsorgt werden soll. Die fossilen Rohstoffe gehen zur Neige, außerdem sind sie ja bekanntlich für den Treibhauseffekt verantwortlich. Das sind alles schlimme Sackgassen!

Die erneuerbaren Energien sind hingegen logischerweise besser, weil sie keinen Treibhauseffekt machen, weil sie ungefährlich sind, und weil sie schlicht „ewig“ halten und weitgehend nichts kosten. Die Sonne schickt uns keine Rechung! Das ist der große ökonomische Vorteil der künftigen ökologischen Energieversorgung. Wir erhalten durch die Sonne und den Wind im wahrsten Sinne des Wortes ständig Geschenke des Himmels. Daß ein Umstieg funktioniert, sieht man zum Beispiel in Ostfriesland.

Die knapp 300.000 Menschen dort versorgen sich heute schon zu 96% mit erneuerbarem Strom! Ich kenne eine kleine Kommune in Sachsen-Anhalt, ein Dorf bei Magdeburg, in dem 40mal soviel Strom erzeugt wird, wie dort benötigt wird, und zwar einfach durch 36 schöne Windräder! In Bayern haben sechs Landkreise – übrigens alle von der CSU regiert – beschlossen, ihren Energiebedarf bis zum Jahre 2030 zu 100% mit regenerativer Energie abzudecken. Nürnberg und Kassel beziehen heute im Jahre 2009 schon ihren gesamten Privatstrom ausschließlich ökologisch.

Die Stadt München ist die erste Millionenstadt in Europa, die beschlossen hat, bis 2025 nur noch Ökostrom über die Stadtwerke zu verteilen. An diesen positiven Beispielen sieht man: wenn es wirklich politisch gewünscht wird, dann geht es auch! Wir benötigen aber zwingend einen ernsthaften politischen Willen dazu! Ein Zauderkurs mit ein paar Prozentpunkten Öko hier und da, bringt uns in der knappen Zeit, die uns angesichts der massiven Umweltprobleme noch verbleibt, nicht weiter. Wir müssen jetzt handeln!

Ist denn dieser konsequente Umstieg, wie Sie ihn sich wünschen, von der neuen Regierung zu erwarten?

FRANZ ALT: Die neue Regierung hat sich im Koalitionsvertrag zunächst einmal darauf geeinigt, daß das erneuerbare Energiegesetz bestehen bleibt. Das bedeutet also, daß wir wenigstens einmal eine Garantie auf die 19 % Ökostrom haben, die es im Augenblick in Deutschland gibt. Nur durch dieses Gesetz konnten wir überhaupt Jahr für Jahr einen Zuwachs um 3% an erneuerbaren Energien verzeichnen. Durch das Bekenntnis zu diesem Gesetz will die jetzige Regierung allem Anschein nach auch das Tempo beibehalten.

Das wiederum würde rein theoretisch bedeuten, daß wir in 20 Jahren komplett auf Ökostrom umgestellt hätten! Bei der Wärmeenergie und den Treibstoffen wird es allerdings etwas länger dauern. Im jetzigen Tempo schätze ich, werden wir bis 2040 auch hier auf erneuerbare Energie umgesattelt haben! Es gibt allerdings genug Bereiche, in denen die Vorhaben der neuen Regierung sehr bedenklich wirken. Zum Beispiel will man im Verkehrsbereich gar nichts verändern.

Die bestehende Autopolitik soll ohne nennenswerte Kurskorrektur einfach so weitergeführt werden! Die Einspeisevergütung für erneuerbare Energien soll und kann auch reduziert werden, da die Herstellungskosten für Solaranlagen stark gesunken sind. Diese Veränderung würde sich also grundsätzlich ausgleichen. Was aber vor allem Teile der FDP planen, würde eher einem radikalen Kahlschlag gleichen, als einer moderaten Anpassung!

Die FDP wollte ja schon in den Koalitionsgesprächen die erneuerbare Energie vom Umwelt- ins Wirtschaftsministerium umsiedeln, was letztlich zum Glück von Frau Merkel verhindert wurde! Ich hoffe, daß sich unsere an sich sehr kluge Bundeskanzlerin, die ja auch selbst schon Umweltministerin war und das erneuerbare Energiegesetz damals in großen Teilen der Welt etabliert hat, auch hier durchsetzen wird.

Um dem Klimawandel in den nächsten Jahren etwas entgegenzusetzen, wäre es notwendig, die CO2-Emissionen bis 2050 um 50% zu senken …

FRANZ ALT: Das ist zu wenig! Herr Obama und Frau Merkel sprechen bei den nationalen Sparzielen schon von 80 bis 85% CO2-Reduzierung …

Falsch formuliert. Korrekt muß es heißen: weltweit müssen bis 2050 50% CO2 reduziert werden.

FRANZ ALT: Ja, weltweit wird es bis 2050 wahrscheinlich nicht mehr werden können, denn die Chinesen, Inder, Brasilianer usw. wollen sich ihr Wirtschaftswachstum ja nicht nehmen lassen. Diese Staaten haben einen immensen Nachholbedarf. Der Slogan lautet: First rich, than clean! (Erst reich werden, dann sauber!). Das heißt im Falle Chinas beispielsweise ganz konkret: mehr Kohle und Kohlekraftwerke!

Aber Kohle heißt es doch bei uns auch! Die größten Dreckschleudern der Welt stehen ja bei uns in hier und nicht in China! Außerdem planen die Energieanbieter fast 30 neue Kohlekraftwerke in Deutschland! Haben Sie die teuere Anzeige des Braunkohle-Forums auf Spiegel-Online schon gesehen?

FRANZ ALT: Ja, schon, aber die Bürger haben innerhalb eines Jahres auch acht Kohlekraftwerke verhindert! Acht Kohlekraftwerke, die schon geplant und genehmigt waren! Kohlekraft bekommt man nicht mehr durch, die Bürger wehren sich dagegen!

Die Inder und die Chinesen werden noch eine zeitlang mehr CO2 ausstoßen, und Afrika muß sogar mehr emittieren, damit man dort nicht verhungert! Dennoch müssen die Schwellenländer irgendwann zwangsläufig auch Verpflichtungen eingehen! Innerhalb der EU ist das übrigens auch so. Die wirtschaftsschwachen EU-Länder wie Griechenland oder Portugal dürfen laut Kyoto-Protokoll weit mehr Schadstoffe emittieren, wie die anderen EU-Staaten. Das wird sich in Kopenhagen auch nicht ändern.

Es gibt es zur Zeit vier konkrete Möglichkeiten, um die CO2-Emission zu senken: die Erhöhung der Energieeffizienz, die Abspeicherung des CO2 in Kavernen (Carbon Capturing and Storage – CCS), erneuerbare Energieträger und das Binden des CO2 in geographischen Senken (Bäume und Boden). In welchen Bereichen sehen Sie derzeit die deutlichsten Fortschritte? Und auf welchen Gebieten gibt es aus jetziger Sicht den größten Forschungsbedarf?

FRANZ ALT: Was Ernst Ulrich von Weizsäcker seit Jahren mit „Faktor Vier“ und bald auch mit seinem neuen Buch „Faktor Fünf“ propagiert, ist ein absolut faszinierendes Mittel zur CO2-Reduzierung! Ich habe die Anwendung dieser Effizienzsteigerung immer ganz eindrucksvoll in Japan beobachten können, da die Japaner um bis zu 20% energieeffizienter arbeiten als wir Deutschen. Das ist ein großer ökonomischer Vorteil.

Nicht zuletzt deswegen gibt es in diesem Land auch weniger Arbeitslose. Auch die Engländer haben in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Energieeffizienz gemacht. Wir stecken einfach noch viel zu viel Geld in die Energieverschwendung, anstatt das Geld in die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu investieren! Auf der letzten Industriemesse in Hannover sagte unsere Bundeskanzlerin hierzu, daß die Deutschen im Jahre 2020 mit der schon vorhandenen Technik bis zu 40% energieeffizienter arbeiten könnten als heute.

Das würde in der Folge 850.000 neue Arbeitsplätze bedeuten! Effizienz ist gut für die Umwelt und für den Geldbeutel. Da sieht man, welche Potentiale hier brachliegen! Zugleich müssen aber auch die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Es muß also beides Hand in Hand gehen, und zwar mit der Doppelstrategie: effizienter und sparsamer Umgang mit Energie und zugleich der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien, so daß in 30 Jahren der komplette Umstieg geglückt ist.

Und was halten sie von der Abspeicherung des CO2 in Kavernen?

FRANZ ALT: Ich halte gar nichts von dem sogenannten CCS-Verfahren! Im Gegenteil: wir schaffen uns damit das nächste Entsorgungsproblem! Die Vorgänge sind nicht zu Ende erforscht, kein Mensch weiß also, was in 100 Jahren mit diesem unterirdischen CO2 passiert. Das erinnert mich irgendwie an denselben Fehler, den wir damals bei der Atomkraft gemacht haben: wir legen mal los und produzieren Müll, und nach 50 Jahren erkennen wir – es geht nicht weiter!

Wieso wollen wir denn denselben Fehler noch einmal machen? Ich habe nichts dagegen, wenn man CCS erforscht und falls dabei ein tragbares Ergebnis herauskommt, dann wäre der Einsatz dieser Technologie ja auch in Ordnung. Alle CCS-Forscher sagen mir jedoch: wir wissen nicht, was hier in 100 Jahren alles geschehen kann. Wie kann ich dann, so frage ich mich, in so eine Technik überhaupt einsteigen? Außerdem benötigen wir diese Kavernen, Speicher und Höhlen doch in Zukunft für die Pumpspeicherkraftwerke, um dort eines Tages Solar- und Windstrom speichern zu können!

Haben Sie nun die Anzeige des Braunkohle-Forums auf Spiegel-Online gesehen oder nicht?

FRANZ ALT: Ja, ich habe die Anzeige in der Printausgabe des Spiegels gelesen?

Dort findet man eine wahre Armada an hochdekorierten Wissenschaftlern, die unter anderem folgende Statements von sich geben: „Die Braunkohlenindustrie bekennt sich zum vorsorgenden Klimaschutz …“

FRANZ ALT: Das sagen sie alle!

„ … Mit hohen Investitionen in die Kraftwerke, Neubauten und Modernisierung wurde und wird die Effizienz der Stromerzeugung kontinuierlich gesteigert und die Emissionen gesenkt.“

FRANZ ALT: Zu dieser alten Propaganda kann ich nur sagen: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“

Sie sagten vorhin: Sie fangen da an, wo Al Gore aufhörte. Wo hörte er denn auf?

FRANZ ALT: Er beschreibt in seinem Buch und in dem daraufhin gedrehten, äußerst erfolgreichen Film „Eine unbequeme Wahrheit“ zu 95% nur die Probleme! Das machen wir nun schon seit 30 Jahren! Ich glaube, eine Gesellschaft ist jedoch nur dann bereit etwas zu verändern, wenn sie die Lösungen gezeigt bekommt.

Zur Ehrenrettung Al Gores muß man aber sagen, daß sein nächstes Buch, das wohl 2010 unter dem Titel „Solutions“ (Lösungen) erscheinen wird, nur noch von Lösungen handelt, und zwar, weil er die Kritik verstanden hat! Wir müssen ihm natürlich alle dankbar für sein Buch sein, gerade weil er in den USA erheblich zur Bewußtseinsentwicklung beigetragen hat. In den USA, das muß man sich klarmachen, hinkt die Entwicklung ca. 20 Jahre hinterher! Europa ist in der Umweltthematik der Vorreiter.

Wir haben die Probleme schon viel früher erkannt, benannt und auch schon tausendmal durchdekliniert. Wir müssen nun aber endlich Lösungen, Lösungen und nochmals Lösungen anbieten! Erst mit einem vernünftigen Lösungsansatz machen die Leute auch mit beim Umweltschutz.

Wenn wir ihnen noch ein paar Jahrzehnte mit dem Klima Angst machen, dann werden die meisten so abgestumpft sein, daß es wirklich kompliziert werden könnte. Wir müssen also aufpassen, daß wir die Menschen nicht verrückt machen mit irgendwelchen Katastrophenszenarien! Wir benötigen jetzt auch in den USA Lösungen im großen Stil, und dank Obama haben wir dort einen Präsidenten, der für ebendiese Lösungen offen ist.

Ende dieses Jahres soll bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls beschlossen werden. Prof. Weizsäcker war, was die Klimaziele in Kopenhagen angeht, sehr skeptisch? Was erhoffen Sie sich?

FRANZ ALT: Kyoto hat uns gelehrt, daß bei diesem großen internationalen Konferenzzirkus nicht viel herauskommt. Wir haben in den letzten 20 Jahren 20 große Klimakonferenzen gehabt, am Ende war das einzige Ergebnis nur der Beschluß für die nächste Konferenz! Wenn Sie sich noch überlegen, daß zu diesen Treffen jeweils um die 5000 Menschen angeflogen kommen, dann kann man sich vorstellen, welch horrende Kosten und gewaltige Umweltbelastungen hier entstehen, und dennoch wird dabei nicht einmal etwas Konkretes entschieden!

Ich würde mich natürlich freuen, wenn Kopenhagen etwas Substantielles für unsere Umwelt hervorbrächte, ich setze aber eigentlich auf eine ganz andere Strategie: das gute Beispiel! Als ich 1991 unsere Solaranlage aufbaute, da haben die Leute noch gelacht. Heute ist Photovoltaik weit verbreitet! Das gute Beispiel, das weiß ein jeder Vater, eine jede Mutter, ist die Grundvoraussetzung für eine gute Erziehung der Kinder.

Wenn ein so entwickeltes Land wie Deutschland im Umweltschutz vorangeht, dann ist das viel wichtiger als 20 weitere UNO-Konferenzen zusammengenommen! In gewisser Weise ist Japan in der Photovoltaik vorausgegangen, dann haben es die Deutschen begriffen. Bei Windenergie waren wir die ersten, während bei der Biomasse die Schweden und Österreicher die Pioniere waren. In der Meerestechnologie sind die Engländer ganz vorne, in Wellen- und Strömungsenergie sind die Portugiesen führend.

Wenn also schußendlich immer einer vorausgeht, dann folgen die anderen nach. Gerade die Amerikaner haben überhaupt keine Hemmungen, Technologie aus der ganzen Welt in die USA zu holen und verblüffend rasch bei sich umzusetzen. Beispielsweise kaufen die Amerikaner gerade Tausende von Windrädern in Deutschland ein. 75% der hier produzierten Windräder gehen ins Ausland – ein Verkaufsschlager! Der Effekt für uns: wir haben im Windbereich mittlerweile ca. 100.000 Arbeitsplätze. Wir schaffen hier Arbeitsplätze, weil wir dieser Technologie treu geblieben sind, trotz aller Bedenken und Unkenrufe.

Nicht die großen Energieversorger haben dafür gesorgt, daß sich diese Energien etablierten, sondern der Mittelstand! Es waren 220.000 Mittelständler, die seinerzeit ihr gutes Geld investiert haben. Wir haben es hier also genau betrachtet mit einer richtigen „Volksbewegung“ zu tun und zwar gegen die herrschenden Energiekonzerne!

Solche Beispiele zeigen mir, wie wir den Durchbruch schaffen können. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen, das heißt also: stets mit gutem Beispiel vorangehen und die Technologie von Morgen möglichst im eigenen Land entwickeln und umsetzen, dann habe ich den Exportschlager von morgen. Das ist weit wichtiger als alle Klimakonferenzen zusammen. Ich habe aber nichts gegen Konferenzen, wenn denn endlich etwas dabei herauskäme.

Was Kopenhagen anbelangt, so bin ich doch auch eher skeptisch. Seit Kyoto sind 12 Jahre vergangen und dem Klima ging es noch nie so schlecht wie heute, dennoch geht dieses Palaver ständig weiter. Diesen Konferenzzirkus gibt es nur deshalb, weil wir einstimmige Entschlüsse benötigen. In der UNO heißt es hierzu immer: der Letzte bestimmt das Tempo! Das ist kein Fortschritt!

Ich habe im Internet die sehr berührenden Bilder von Ihnen und dem Dalai Lama gesehen. Wie kam denn diese Begegnung zustande, und wie ist ihr Verhältnis zum Oberhaupt der Tibeter?

FRANZ ALT: Das ist eine ganz verrückte Geschichte mit unserer Freundschaft! Meine Frau wußte schon als kleines Kind, daß sie nach Tibet muß! Ihr war damals natürlich gar nicht klar, wo das genau liegt oder ob es dieses Land überhaupt gibt. Dennoch gab es diese grenzenlose Gewißheit in ihr, daß sie eines Tages dorthin muß! So war ich dann schon über meine Frau sensibilisiert und hatte einen Zugang zu diesem Land.

Irgendwann, Anfang der 80er Jahre, sind wir dann tatsächlich zusammen nach Tibet gereist. Als meine Frau aus dem Flugzeug stieg und das Land betrachtete, sagte sie: „Das ist meine Heimat! Hier war ich schon. Ich erinnere mich!“ Sie hatte also wirklich ein beeindruckendes Wiedergeburtserlebnis, als sie dort ankam. Ich muß gestehen, daß ich so etwas nicht kenne, dafür kenne ich aber meine Frau, die ich immer sehr ernst nehme. Kurz: es mußte etwas dran sein an ihrer Empfindung. Wir verbrachten nun die kommenden Tage in Tibet natürlich nicht mit Sightseeing, sondern wir drehten heimlich einen Film.

Wir liefen offiziell als Touristen umher, wo sich jedoch die Gelegenheit bot, zückten wir unsere 8mm-Kamera und nahmen soviel auf, wie wir nur konnten. Genau dieser Film – „Tränen über Tibet“ – lief dann später unter großem Aufsehen in der ganzen Welt, weil die im Streifen interviewten Tibeter das erste Mal schilderten, was die Chinesen an Greueltaten anrichteten! Wie es der Zufall so will, lief nun dieser Film just an dem Vortag in der ARD, als der Dalai Lama das erste Mal nach Deutschland kam.

Am Tag nach der Ausstrahlung hörte der Dalai Lama in Frankfurt davon, daß im Deutschen Fernsehen ein beeindruckender Film über Tibet lief. Er fragte also, wer den Film gedreht hat, und wer wir seien. Die Folge war, daß er mich im damaligen Südwestrundfunk anrufen ließ, um mit mir ein Treffen zu vereinbaren. Am nächsten Abend haben wir uns dann wirklich in Frankfurt getroffen, wo der Dalai Lama mich darum bat, den Film sehen zu dürfen. Das Witzige dabei war allerdings, daß die Geburt unserer Tochter bevorstand und ich unbedingt dabei sein wollte!

Meine Frau beruhigte mich damals und meinte: „Geh’ Du zum Dalai Lama, das Kind kommt bestimmt erst am Morgen!“ Und tatsächlich habe ich dem Dalai Lama den Film gezeigt, bin in der Nacht zu meiner Frau zurückgefahren und war am Morgen bei der Geburt meiner Tochter mit dabei! Meine Freundschaft zum Dalai Lama ist demnach so alt wie meine Tochter, nämlich 27 Jahre! Als wir ihm den Film gezeigt haben, hatte er Tränen in den Augen. Er sagte, er habe dank meiner Frau Dinge über Tibet erfahren, die er nicht mehr wußte, er möchte auch meine Frau kennenlernen, und… „Wir sind Freunde, wenn Sie wollen?“ „Ja, gerne!“ war meine Antwort…

Die Bilder, von denen Sie sprachen, wurden beim 25. Jahrestag unserer Freundschaft aufgenommen. Ich habe in den letzten Jahren 15 Fernsehsendungen über das Thema gemacht, etliche Interviews mit dem Dalai Lama geführt und bin in ganz Europa mit ihm aufgetreten. Wir haben uns damals vorgenommen, wann immer er nach Europa kommt und es irgendwie geht, dann wollen wir uns auch treffen – das haben wir bisher auch immer geschafft!

Herzlichen Dank für diese wundervolle Geschichte! Vielen Dank für das Interview!

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