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Contact – Das äußere und das innere Erleben

Die Geschichte des Films ist gespickt mit Streifen über Außerirdische. Je nach Regisseur (und Produktionsfirma variieren die Begegnungen des Homo Sapiens mit einem „Alien“ vom schrecklichen Ereignis (wie 1953 in H. G. Wells „Krieg der Welten“, nach dessen Radio-Ausstrahlung in Teilen der USA Angst vor einem bevorstehenden Angriff aus dem All ausbrach), bis hin zu Pfadfindertreffen mit „knuddeligen“ Nachbarn, die bei Steven Spielbergs „E. T.“ ganz nebenbei noch den Kassen der Plüschtierindustrie galaktische Umsatzzahlen bescherten! Um so erstaunlicher ist der Ansatz des 1997 erschienenen Streifens „Contact“, verschiebt er doch den Ort der Begegnung in den inneren, höchst subjektiven Raum des Menschen und macht mit diesem Paradigmenwechsel aus dem Zusammentreffen eine metaphysische Frage, deren Beantwortung weniger mit Außerirdischen zu tun hat denn mit dem Wurzelgrund menschlichen Verhaltens.

Die Vorlage zu dem Film „Contact“ stammte aus der Feder des berühmten Pulitzer-Preisträgers und Astrologen Carl Sagan, der seinem gleichnamigen Bestseller aus dem Jahre 1985 gleich noch das Drehbuch beilieferte. Leider konnte er das filmische Resultat seines Werkes nicht mehr betrachten, denn er verstarb während der Dreharbeiten. Er wußte jedoch, daß mit Robert Zemeckis ein Regisseur verpflichtet wurde, der seinen philosophischen sowie wissenschaftlichen Ansprüchen mehr als gerecht werden würde. Zemeckis schafft es nämlich als einer der wenigen Filmemacher, Welten entstehen zu lassen, die mühelos allen pragmatischen Ansprüchen standhalten und dabei absolut homogen und authentisch wirken. Welten, die nicht frisch lackiert oder knallig blinkend daherkommen und keine aufgesetzten Kunst- oder kitschigen Fantasiespielereien sind, welche nur auf Teufel komm raus progressiv sein wollen. In erster Linie ist Zemeckis aber ein verblüffender Geschichtenerzähler, der mit Humor, Tiefgang und eindringlichen Bildern immer etwas Einzigartiges schafft.

Im Mittelpunkt von Contact befindet sich die Radio-Astronomin Dr. Ellie Arroway (Jodie Foster), die es sich nach dem traumatischen Verlust ihres Vaters zur Aufgabe gemacht hat, intelligente Lebensformen in den Weiten des Weltalls zu finden. Mit beinahe fanatischem Eifer treibt sie ihre Forschungen am „SETI-Projekt“ voran, wird dabei jedoch von vielen Kollegen der Zunft belächelt. Wenngleich Dr. Arroway auch als äußerst sympathische Figur gezeichnet wird, kommt man nicht umhin, eine gewisse Zwiespältigkeit in ihrer Argumentation zu bemerken. Einerseits akzeptiert sie nur wissenschaftlich Beweisbares als real und frönt so einem platten Materialismus, der nur alles Faßbare als existent und objektiv ansieht, andererseits wehrt sie sich aber auch nicht gegen die Vorstellung eines Schöpfers. Hinter dieser Ambivalenz stecken die Gedanken des Autors Sagan, ein bekennender Agnostiker. Der Film weist viel von der Denkart dieser philosophischen Richtung auf, die theologische wie metaphysische Fragen offenläßt, da sie weder beweisbar, noch widerlegbar scheinen.

Kurz vor der Stillegung des „SETI-Projekts“ wegen zu geringer Aussicht auf Erfolg, geschieht dann das Unglaubliche: Dr. Arroway empfängt ein periodisches Signal aus dem Weltall mit einer brisanten Nachricht! Das Signal beinhaltet neben Primzahlen und der ersten Fernsehübertragung, die stark genug war, um ins All auszustrahlen (die Eröffnung der Olymp. Spiele durch Adolf Hitler!) noch ein weiteres verstecktes Signal – es entpuppt sich als Blaupause zum Bau einer Maschine, mit der die Reise zum 26 Lichtjahre entfernten Planeten „Vega“ ermöglicht werden soll! Aus der beschaulichen Atmosphäre im „SETI“-Kontrollraum wird schlagartig ein Platz, auf den die Augen der Welt gerichtet sind, und ein Brennpunkt für religiöse Fanatiker, esoterische Schwärmer und alle restlichen „Überzeugungen“ dieser Welt.

Das Fremde, Unbekannte der Außenwelt regt wohl reflexartig zum Vergleich mit dem Wertegeflecht in einem selbst an, führt zur ungewollten Entblößung und Postulierung der eigenen Einstellung gegenüber der Welt. Von diesem Reflex wußte auch Sagan, und er zeigt, wie der fiktive Typus des Außerirdischen die Menschen polarisiert und ethische sowie geistige Werte auf die Probe stellt, da ja „Aliens“ bekanntlich keine Lobby haben, in keinem Gebetbuch erwähnt werden und somit im Umgang eine eigene emanzipierte Einstellung voraussetzten!

Bei all den Menschen, die sich im Umfeld der Forscherin Dr. Ellie Arroway tummeln, findet sich in Pater Palmer Joss, dem „geistigen Berater“ des Weißen Hauses, wohl der perfekte Protagonist zur Astronomin: Glaube und Wissenschaft treffen aufeinander. Diese zwei Menschen sind jedoch nicht so weit voneinander entfernt, wie man diesen Etiketten nach vermutet. Viel mehr vereinen sich beider Wege in der Sehnsucht nach Wahrheit und in der Erkenntnis, daß Glaube ohne das Wissen von Gesetzmäßigkeiten und Wissen ohne eine sinngebende Struktur ein Weg ins Nirgendwo ist!

Ein visueller wie dramaturgischer Höhepunk des Films ist – wie sollte es anders sein – die Reise der Astronomin in dem auf Basis der Blaupause konstruierten Transportmittel. Atemberaubend in Szene gesetzt, rast Dr. Arroway offenbar in einem sogenannten Wurmloch durch Raum und Zeit, vorbei an Galaxien, Sonnen und Sternenstaub. Es ist fantastisch anzusehen, wie sich die Beschaffenheit des stählernen Vehikels unerwartet verändert, durchscheinend, fast gläsern wird, so daß die Grenzen zwischen dem Raum in der Kapsel und des umgebenden Weltalls ineinanderfließen. Es besteht bei aller Pracht aber auch kein Zweifel daran, daß die Reise an die psychischen Grenzen führt, so daß man angesichts krasser Zeitverschiebungseffekte und einer Geschwindigkeit, die nicht des Menschen ist, um die heile Ankunft der Forscherin bangt.

Plötzlich steht alles still, das Ziel der Reise scheint nahe zu sein. Es bietet sich ein umwerfender Ausblick auf die leuchtende Schönheit des fremden Sternensystems. Die Spannung, Ungewißheit und die lauten Geräusche der Fahrt lösen sich auf in diesem wunderbaren Bild. Eine Melodie „spricht“, schlicht aber weise und behütend. Komplementär zum Charakter dieser Melodie ertönt in Tränen, aber voll tief empfundener Dankbarkeit Dr. Arroways Stimme mit markanten Sätzen: „Keine Worte reichen aus, um es zu schildern … Poesie! Sie hätten einen Dichter schicken müssen … Es ist wunderschön … Ich hatte keine Ahnung!“. Bei der zweifachen Oscarpreisträgerin Jodie Foster kommt man in Anbetracht dieser schauspielerischen Leistung ins Grübeln, ob sie vielleicht nicht tatsächlich schon einmal unterwegs zum Planeten Vega gewesen ist! Sie verkörpert diese Rolle so fesselnd, daß man an ihre Emotionen nahezu gekoppelt wird – der Betrachter hat ihr wirklich eine Reise ins Universum zu verdanken!
Welch Glück, daß Zemeckis sich bei der nun anschließenden Begegnung auf Vega nicht auf zweiköpfige oder sechsarmige Wesen in futuristischen Städten eingelassen, sondern einen gekonnten Bruch mit dem Charakter des bisherigen Films gewagt hat, indem er das Aufeinandertreffen zur völlig unerwarteten Begegnung der Wissenschaftlerin mit ihrem verstorbenen Vater werden läßt – in einer zur Wirklichkeit gewordenen Zeichnung der jungen Dr. Arroway, einem weißen Sandstrand mit Palmen! Der Kontrast, der sich aus dem sternenübersäten, leuchtenden Schwarz des Kosmos mit dem weißen Sandstrand ergibt, ist ein großartig inszeniertes Synonym für den Grenzgang Dr. Arroways zwischen Innen- und Außenwelt.

Zur Spitze wird dieser Grenzgang nach der Rückkehr zur Erde gebracht, denn für die Menschen außerhalb der Kapsel ist in der Zwischenzeit offensichtlich überhaupt nichts geschehen! Das Gefährt war augenscheinlich nie weg, die Dauer des Fluges betrug nur etwa 8 Sekunden, während Dr. Arroway angibt, daß sie viele Stunden und Lichtjahre unterwegs gewesen sei.

Es folgt ein aufwendig inszenierter Untersuchungsausschuß, der die Frage nach dem substantiellen Ergebnis des 500 Milliarden Dollar teuren Flugabenteuers beantworten soll – und dieser gerät zum Schauprozeß, in dem die Forscherin einzig das ihr Widerfahrene darlegen kann, ohne aber einen objektiven Beweis vorbringen zu können. Was ist wahrer – das subjektiv Erlebte oder das von außen Beobachtete?

Mit „Contact“ trifft Regisseur Robert Zemeckis („Forrest Gump“, „Cast away“) wieder einmal mit einer feinen Geschichte den Nerv der Zeit, indem er einer Epoche nie dagewesener Orientierungslosigkeit ihre Phrasen vorsetzt und allem menschlichen Wissen, sei es nun aus der Wissenschaft oder aus dem Glauben destilliert, nur dann einen Wert zumißt, wenn es im Dienst der Wahrheitssuche steht.

 

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