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Lebensmittel für den Frieden – Rüdiger Dahlke

Rüdiger Dahlke schrieb viele Bücher, die meisten davon sind Bestseller. Keines seiner Bücher – so verriet er in diesem Gespräch – sei ihm jedoch derart wichtig wie „Peace Food“, geht es darin doch um die Auswirkungen von Tierprodukten auf die Gesundheit des Menschen! Und keine Umweltschutzmaßnahme könne den Planeten effektiver von den akuten Problemen entlasten als die Umstellung der Ernährung auf mehr pflanzliche Kost!

Sie ernährten sich jahrzehntelang vegetarisch, nun sind Sie seit einiger Zeit überzeugter Veganer geworden, und zwar – wie man in Ihrem neuen Buch „Peace Food“ lesen kann – durch das Studium der „China Study“, einer epidemiologischen Untersuchung des Biochemikers Colin Campbell. In dieser großangelegten Studie wurden die Zusammenhänge zwischen dem Verzehr tierischer Produkte und Krankheiten untersucht. Bill Clinton soll nach dem Lesen dieser Studie Veganer geworden sein. Angesichts Ihrer persönlichen Konsequenzen gehe ich davon aus, daß die dortigen Ergebnisse signifikant gewesen sein müssen?

RÜDIGER DAHLKE: Es ist nicht nur die China Study, die mich zum Essen pflanzlicher Kost bewogen hat, da gibt es noch eine Reihe anderer Studien, beispielsweise die vom deutschen Professor Leitzmann aus Gießen. Bei mir waren es vor allem auch humanitäre Gründe im Hinblick auf die Hungernden dieser Welt, auf das unvorstellbare Elend der Tiere und in bezug auf die ökologische Situation unseres Planeten.

Aber zur China Study, die der Auslöser war: Sie beginnt – wie so oft – mit einer persönlichen Geschichte. Colin Campbell, auf einer US-Milchfarm aufgewachsen, hatte sein Aufwach-Erlebnis, als er in der Krebsforschung bemerkte, daß mit Krebs infizierte Mäuse, die milch-eiweißreiches Futter erhielten, deutlich früher an Krebs erkrankten als mit einem vermeintlich schlechteren milcheiweißarmen gefütterte. Als echter Wissenschaftler ging er dem nach und fand so immer erschreckendere Fakten bezüglich tierischen Proteins. All das führte schließlich bis zur China Study, der wohl größten und am breitesten angelegten Ernährungsstudie überhaupt. So stellte sich allmählich heraus, daß Tierprotein und besonders auch das Kasein der Milch zu den gefährlichsten Stoffen unserer und der gängigen US-Nahrung gehörten. Campbell spricht diesbezüglich heute ganz direkt von Cancerogenen 14 Z.

Er fand in seiner einmaligen Studie, die sich praktisch auf die 800 Millionen Han-Chinesen stützen konnte, die einen ähnlichen genetischen Pool bilden und folglich gut vergleichbar sind, daß Fleisch und Milch(produkte), Eier und Fisch Gefäßverschlüsse begünstigen und so unserer ersten und wichtigsten Todesursache, den Herzproblemen, Vorschub leisten, aber darüber hinaus auch noch Schlaganfälle und Demenz bis zu Alzheimer fördern. Auch bei unserer zweithäufigsten Todesursache schlagen Tierproteine voll ins Konto und erhöhen die Krebsrate ganz allgemein. In den zwei Jahren meines Wissens um die Gefahr, die von Tiereiweiß droht, habe ich schon eine ganze Reihe von Menschen vor Krebsoperationen etwa wegen hoher PSA-Werte mit der Gefahr des Prostata-Karzinoms bewahren können, indem ich sie von rein pflanzlicher Nahrung überzeugte. Die China Study zeigt aber noch für viele weitere Krankheitsbilder wie Allergien und Diabetes, Osteoporose usw., was für verheerende Folgen der Verzehr von Tierprotein und insbesondere Milch(produkten) haben kann.

Dabei können wir sehr leicht und mit viel Gewinn nicht nur für unsere Gesundheit, sondern auch für die Hungernden dieser Welt, auch der Ökologie und der Tiere wegen aussteigen.

Selbst wenn man mit Grauen auf die Methoden der Schlachthöfe sieht und völlig konform mit der China Study oder „Peace Food“ ist, bleiben die emotionalen Bindungen doch sehr stark. Mit dem Umstellen auf vegetarische oder gar vegane Kost geht für viele Menschen der Verlust von Geschmack und von Geschichte einher. Wir alle haben ganz spezielle Erlebnisse im Zusammenhang mit Essen, wir identifizieren uns mit den Nationalgerichten, mit den Gerüchen und vielleicht auch Anekdoten aus der Küche. Müßte man mit dem Weglassen von Milch, Eiern und Fleisch nicht auch ein essentielles Stück Lebens- und Kulturgeschichte streichen?

RÜDIGER DAHLKE: Man kann ja über die Fleisch-Ersatz-Schiene etwa der taiwanesischen Küche fast genauso weiteressen wie bisher. Auf Weizen-Basis kann Saitan oder – in Maßen – auch Tofu auf Soja-Basis praktisch jedes Fleischerlebnis ersetzen. Persönlich ist das nicht mein Weg, aber ich weiß von vielen Ex-Fleischessern, wie gut ihnen diese Richtung bekommt und daß sie dabei gar nichts entbehren, manchen schmeckt es sogar noch besser!

Persönlich hat mir die Umstellung auf vegetarische Kost vor 40 Jahren vor allem seelische Erleichterung verschafft, keinen Anteil mehr an den unsäglichen Tiertransporten, den Tier-Zucht-Häusern und dem Elend in den Großschlachthöfen zu haben. Außerdem war ich froh, nicht mehr all die Angst- und Streßhormone der Schlachttiere mitzuessen und das ganze Gift aus dem tierischen Eiweiß, denn tatsächlich kommen über 80 Prozent der Gifte, die wir uns durch Nahrung einverleiben, genau daher. Vor allem aber ist das Lebensgefühl viel leichter, freier und offener, natürlich angstfreier und weniger streßbelastet. Als Arzt habe ich auch immer wieder erlebt, wie gut die pflanzliche Kost Allergikern und Übergewichtigen und vor allem Rheumatikern getan hat. Natürlich ist es jetzt auch schön zu wissen, daß man pflanzlich essend nicht nur Krebs und Herzproblemen keinen weiteren Vorschub leistet, sondern sie, wie auch die meisten anderen Zivilisationskrankheiten, in Zaum halten kann. Pflanzliche Kost ist auf der körperlichen Ebene natürlich auch die beste Vorbeugung bezüglich Demenz. Schließlich hält diese Kost jünger und leistungsfähiger, macht sensibler und – ein besonderes Geschenk für mich: Tiere – sogar wilde – begegnen einem vertrauensvoll … das ist so eine Art Franz-von-Assisi-Effekt! Es ist ja kein großes Geheimnis, daß Urin und Stuhl, aber auch der Atem und der Schweiß von Fleischessern oft unangenehm riechen. Wahrscheinlich spüren Tiere so etwas mit ihrer höheren Sensibilität und nähern sich daher Pflanzenessern vertrauensvoller. Außerdem fühle ich mich insgesamt freier, fließender und geschmeidiger und auch energie- und liebevoller.

Es heißt immer: „Fleischessen erdet“ und „Vegetariern fehlen Biß und Durchsetzungskraft“. Vegetariern hängt ein Tagträumer-Image, eine eher phlegmatische Aura an. Wie ist es Ihrer Meinung nach um die Vitalität eines Fleischessers und eines Veganers bestellt?

RÜDIGER DAHLKE: Fleischessen erdet nicht nur, es beschwert auch, und man sieht es ja am mühsamen Aufstehen der Allesesser nach Tisch, wenn sie zur Bewältigung ihres Völlegefühls den Gürtel weiter machen! Sie bleiben lange belastet, weil Tiereiweiß lange zur Verdauung braucht. Außerdem sind sie eben viel mehr mit Angst geschlagen und streßanfälliger, das mag sie lauter erscheinen lassen. Was Durchsetzungsfähigkeit und Biß angeht, kommen Sie gern einmal in einen meiner Vorträge zu „Peace Food“. Ich erlebe, wie ich da bei den Auseinandersetzungen zu diesem heißen Thema noch immer die Oberhand behalten habe. Also phlegmatisch sind doch viel eher die ständig angepampften Allesesser. Da Pflanzenesser sensibler sind, träumen sie natürlich auch klarer, nicht nur nachts, sondern auch bei Tagtraumreisen. Und natürlich träumen wir von einer besseren, friedlicheren Welt.

Wieso können wir durch die Wahl unserer Lebensmittel den Hunger auf der Welt beenden? Wo ist der Zusammenhang zwischen Welthunger und Fleischkonsum?

RÜDIGER DAHLKE: Das liegt an zweierlei: Erstens verbraucht die Produktion von 1 kcal Fleisch ungleich mehr Kalorien und auch Wasser als die von 1 kcal Kohlenhydrat. Zweitens kaufen wir in den Hungerländern die Kohlenhydrate auf, die dort zur Ernährung fehlen, um dann hier damit zuerst Tiere und dann Menschen zu mästen. Daß diese davon mit der Zeit krank werden und sogar daran sterben, ist die Erkenntnis der neuen Studien, wie in „Peace Food“ dargestellt.

Ich habe Sie in einem Vortrag schon einmal sinngemäß sagen hören: „Der Mensch verwirklicht sich nicht über den Magen.“ Die Umstellung auf vegetarisch und noch viel mehr auf vegan fördert auf der einen Seite zwar die Bewußtseinsentwicklung und verstärkt die innere Empfindsamkeit, auf der anderen Seite richtet man doch auch dauernd einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf die Selektion der Nahrungsmittel. Verkopft diese Art der Ernährung das Leben nicht tendenziell?

RÜDIGER DAHLKE: Ich bin weiter der Meinung – und das kommt in der Einführung von „Peace Food – Wie der Verzicht auf Fleisch und Milch Körper und Seele heilt“ – auch deutlich zum Ausdruck, daß die Seele noch entscheidender ist als der Körper und seine Ernährung. Alles, was ich in dem Nachschlagewerk „Krankheit als Symbol“ dargestellt habe an Tausenden von körperlichen Symptomen und ihrer Übersetzung in seelische Probleme, behält seine Gültigkeit. Daß veganes Essen verkopft, glaube und erlebe ich nicht, es schmeckt und bekommt viel besser und erhöht den Lebensgenuß. Lediglich mag das am Anfang eine gewisse Rolle spielen, solange dieses Essen schwieriger zu besorgen ist, wenn man nicht selbst kocht. In unserem neuen Seminar-Zentrum ist das Essen, das bevorzugt im eigenen Bio-Garten wächst und in der eigenen Küche liebevoll zubereitet wird, zu einem besonderen Fest geworden. Gemeinsames Essen hat sich dadurch fast automatisch ergeben.

In den USA, wo Bill Clinton und Al Gore den Fleischverzicht öffentlich propagieren, sank der Fleischkonsum bisher schon auf das Niveau der siebziger Jahre, und auch bei uns nimmt der Konsum ähnlich dramatisch ab. Wenn also die Entwicklung anhält – im Augenblick werden jeden Monat 5.000 Exemplare „Peace Food“ verkauft – wird es ja bald nicht mehr so schwierig sein, überall gute vollwertige vegane Kost zu finden. In fünf Jahren, davon bin ich völlig überzeugt, wird Fleischessen nur noch bei sehr unbewußten Menschen die Regel sein. Die Erkenntnisse der Medizin sind einfach zu dramatisch. Das ist wie damals bei den Hormongaben in den Wechseljahren. Nachdem die beiden großen Studien erschienen, traute sich bald kein Arzt mehr, mit den Hormonen auch weiter Brustkrebs zu verschreiben. Die Situation ist jetzt ganz ähnlich, nur geht es jetzt um alle und alles, also nicht nur jede Art von Krebs, sondern auch so unangenehme Krankheitsbilder wie Diabetes und Osteoporose.

Der Mensch ist, so stellen Sie es in „Peace Food“ dar, das einzige Lebewesen, das sich von der Muttermilch anderer Spezies ernährt. Wieso stellt der Konsum von Kuhmilch Ihrer Ansicht nach so ein großes Problem dar?

RÜDIGER DAHLKE: Nicht nur meiner Ansicht nach, sondern große Studien und harte Fakten ergeben, daß Milch(produkte) Krebs und auch Osteoporose in besonderem Maße Vorschub leisten. Eine Studie von Caldwell Esselstyn zeigte, daß nur ein Becher Joghurt pro Tag die Gefahr von Herzanfällen erhöht. Andererseits verschwanden Herzkranzverengungen wieder, wenn auf Milch(produkte) gänzlich verzichtet wurde.

Zwar enthalten Milch und die daraus erzeugten Produkte viel Kalzium, sie entziehen dem Organismus aber noch mehr, als sie liefern. Dafür verantwortlich ist auch die Übersäuerung, die mit dem Konsum von Milch(produkten) einhergeht. Dieses übersäuerte Milieu ist geradezu ein Knochen-Killer, schadet aber auch anderen Geweben erheblich.

Warum Milch(produkte) so gefährlich im Hinblick auf Herzprobleme und Krebs und die Fülle der Zivilisationskrankheiten sind, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Ein inzwischen wissenschaftlich belegter Grund hängt mit der Tatsache zusammen, daß Milch Wachstumshormone wie den IFG-1-Faktor enthält, der die Zellteilung anregt und die Entsorgung alter Zellen hemmt. Das ist wohl für das Neugeborene gut, für Erwachsene aber offensichtlich ein Krebsprogramm. Milch, die immer Muttermilch ist, soll Wachstum beim Säugling fördern. Später sollten Menschen im übertragenen Sinn wachsen, und weitergehende Wachstumsförderung im Körper über das Kindesalter hinaus ist offensichtlich gefährlich.

Die chinesische Medizin sagt uns schon immer, daß Milch verschleimt, und so zeigte sich in den drei Jahrzehnten meiner Beratungstätigkeit, daß schon allein der Verzicht auf Milch(produkte), den ich allen Eltern von Allergie-Kindern riet, das Problem in vielen Fällen löste, in allen besserte.

Was Diabetes I angeht, wissen wir längst, daß alle Betroffenen Antikörper gegen Kuhmilchprotein im Blut haben. In Ländern mit wenig Milchkonsum wie Japan ist Diabetes I praktisch unbekannt, in solchen mit noch viel mehr Milchkonsum, wie in Finnland, stellt der jugendliche Zucker eine Volksseuche dar. Wir müssen davon ausgehen, daß es ohne Kuhmilchkonsum auch keine Zuckerkrankheit gäbe. Auch den Diabetes II fördert die tierproteinreiche Kost, wie die China Study belegt.

 

Auf der einen Seite haben wir Haustiere, die wir innig lieben, eine Tierfutter- und Tierzubehörindustrie, die Milliarden mit unserem Herz für Tiere umsetzt, andererseits scheint uns aber das Wohl des „Schlachtviehs“ völlig gleichgültig zu sein, zum Beispiel immer dann, wenn wir Fleisch einkaufen oder, schlimmer noch, nach billigem Fleisch Ausschau halten! Woher kommt diese Diskrepanz?

RÜDIGER DAHLKE: Das kommt wahrscheinlich, weil wir Tiere wie Schweine, die wir essen wollen, abwerten, während wir unsere Haustiere beinahe vergöttern. Das ist psychologisch gut verständlich, aber natürlich wirklich unfair den Schweinen gegenüber, die klug und sensibel sind.

Der Untertitel Ihres Buches lautet „Wie der Verzicht auf Fleisch und Milch Körper und Seele heilt“. Was wollen Sie mit Ihrem Buch in erster Linie erreichen? Was alles soll geheilt werden?

RÜDIGER DAHLKE: Zuerst einmal der eigene Organismus von Gefäßproblemen, Krebsneigung, Osteoporose usw., dann aber auch die Seele durch Verzicht auf Angst- und Streßhormone. Schließlich der Hunger in den armen Ländern. Ökologisch gesehen die ganze Erde. Daher auch der Name „Peace Food“ – eben Friedensnahrung. Erreichen möchte ich, daß wir den Konsum an Tierprotein dramatisch senken – aus Respekt vor unserer Gesundheit, den Tieren und den hungernden Menschen.

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