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„Der Mensch von heute ist das Krebsgeschwür der Erde!“ – Rüdiger Dahlke

Mit seinem Buch „Krankheit als Weg“ etablierte und beeinflußte Rüdiger Dahlke die psychosomatische Medizin in Deutschland maßgeblich. Heute ist er als Fastenarzt, Seminarleiter und Vortragender international tätig. Seine Bücher zur Psychosomatik sind Bestseller, die mittlerweile in 22 Sprachen vorliegen.

Im „Spiegel“ war vor einiger Zeit zu lesen, daß rund 88 Prozent der Deutschen sich eine neue Wirtschaftsordnung wünschen würden. Der Kapitalismus sorge demnach weder für einen sozialen Ausgleich noch für Umweltschutz. Wie schätzen Sie die Lage ein? Sehnen wir uns nach einer neuen Zeit?

RÜDIGER DAHLKE: Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Sobald die Konsequenzen aus dieser Sehnsucht nach einer besseren Welt an die Türe klopfen, sind die guten Wünsche doch bei den meisten schnell verflogen! Wenn es darum geht, selbst etwas zu opfern, seine Tagesplanung umzustellen, Einschnitte hinzunehmen, dann sieht die Realität plötzlich ganz anders aus. Wir haben das als kleines Beispiel vor Jahren mit der Versenkung der Ölplattform Brent Spar erlebt. Damals waren alle schnell bereit, Shell zu boykottieren, dies war aber auch relativ einfach, weil man dann eben quer gegenüber zu Aral oder Esso gefahren ist! Als seinerzeit dieser völlig durchgedrehte französische Ministerpräsident trotz internationaler Proteste seine Atombombenversuche auf dem Pazifik-Atoll Mururoa durchsetzte, haben die Aufrufe für einen Boykott französischer Waren überhaupt nichts bewirkt, weil sich die Leute eben immer noch ihren Lieblingscamembert aufs Brot schmieren wollten! Nichtsdestotrotz hat sich natürlich in der Zwischenzeit auch einiges geändert, die Formen des Protests haben sich gewandelt. Die Menschen informieren sich genauer, bevor sie in eine Sache viel Energie investieren, und außerdem (in)formiert man sich heute mit Hilfe des Internets viel intelligenter.

Die Skepsis gegenüber metaphysischen Wirkungsweisen ist weit verbreitet. Zum Beispiel sind sich viele Wissenschaftler einig, daß es keinen überzeugenden Beweis dafür gibt, daß homöopathische Kügelchen irgend etwas anderes bewirken als den … Placeboeffekt! In England ist der Streit darüber vor einiger Zeit öffentlich entbrannt. Da gibt es prominente Fürsprecher, wie Prinz Charles, und Gegner, die vor Apotheken eine Flasche Arsenicum album trinken, nur um zu beweisen, daß homöopathische Mittel wirkungslos sind.

RÜDIGER DAHLKE: Ach, diese Menschen haben doch nichts verstanden! Die haben sich nicht auf das Thema eingelassen und bewerfen den kompletten Ansatz mit Häme! Eine so extrem individuelle Methode wie die Homöopathie kann man doch gar nicht so reproduzieren, wie es jene Kreise aufgrund des wissenschaftlichen Paradigmas verlangen! Man muß sich klarmachen, daß die klassische Homöopathie niemals im Sinne der Wissenschaft bewiesen werden kann, weil sie auf einem ganz anderen, dem jeweiligen Kranken angepaßten Wirkprinzip beruht!

Der Placeboeffekt bedeutet im Sinne der Wissenschaft, daß die Symptome durch die eigene Einbildung überstrahlt werden. Ich denke aber, genau diese oft verlachte Einbildung, also der Glaube an die eigene Gesundung und das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte, ist doch – egal mit welcher Therapiemethode man arbeitet – der maßgebliche Faktor in der Überwindung einer Krankheit!

RÜDIGER DAHLKE: Der Placeboeffekt ist im wesentlichen genau das, was die Medizin überhaupt ausmacht! Vor ein paar Jahren wurde der Vorsitzende der englischen Kassenärzte nach seinem Rücktritt von einem Reporter gefragt, was denn für ihn das Erstaunlichste gewesen sei, das er in seiner langen Laufbahn erlebt habe. Das Erstaunlichste war für diesen Mann, rückblickend betrachtet, daß über 90 Prozent der verabreichten Mittel in ihrer Wirkung nicht mehr als Placebos sind! Für mich ist das Problem hierbei jedoch, daß diese Mittel, die hier eingenommen werden, immer Nebenwirkungen haben, homöopathische aber nicht! Persönlich glaube ich, daß die Homöopathie über Placebo hinausgeht. Es werden Tiere, Säuglinge, Kinder mit diesen Mitteln behandelt, wie sollten hier Einbildungskräfte wirken?! Bei der Akupunktur sprach man auch immer von Placeboeffekten, mittlerweile gibt es sogar Kaiserschnitte bei Kühen, die bei dem Eingriff nur akupunktiert werden. Man kann die Medizin, wie wir sie heute in den Industrieländern haben, tatsächlich nur verstehen, wenn man den Finanzaspekt beleuchtet! Das sah man an SARS, der Vogelgrippe, der Schweinegrippe und wird es an der kommenden „Känguruhgrippe“, oder was man sich sonst noch einfallen läßt, wieder sehen! Dahinter steckt doch nur Geld und Strategie! Bei der Vogelgrippe müßte man zum Beispiel Geschlechtsverkehr mit einem Vogel haben, um überhaupt eine Chance zu haben, diese Krankheit zu bekommen! Da gab es ansonsten nie andere Ansteckungsmöglichkeiten! Es gab keinen Arzt in Deutschland, der nicht gewußt hätte, daß diese Horrorszenarien völlig absurd waren, und dennoch haben viele dieses Spiel mitgespielt!

In den Büchern „Krankheit als Symbol“ oder „Krankheit als Weg“ gehen Sie auf Krankheitsbilder ein und setzen sie mit ihren eigentlichen seelischen Ursachen in Verbindung. Warum „greift“ denn die Seele überhaupt zu dem „Mittel“ Krankheit?

RÜDIGER DAHLKE: Das ist eine Frage, deren Antwort mich überfordern würde! Ich kann nur feststellen, daß es so ist und daß es scheinbar von Anfang an so war. Wenn man sich hierzu den Energieerhaltungssatz ansieht, der besagt, daß man Energie nicht vernichten, sondern nur umwandeln kann, so wird man mit einiger Beobachtung feststellen, daß dies auch an den Übergangsbereichen zwischen Körper und Seele gilt! Wenn man etwas schulmedizinisch unterdrückt, dann verschiebt man den Problemherd unter die Oberfläche – verschwunden ist das Ganze damit aber noch lange nicht! Sie können das ursprüngliche, zugrundeliegende Problem auf der körperlichen Ebene sogar hin- und herschieben, so daß die Krankheit ihre Gestalt ändert. Wenn Sie beispielsweise einem Kind mit Milchschorf Cortison verabreichen, dann bekommen Sie dessen Haut meist schnell sauber. Das Problem ist hierbei nur, daß man über diesen Weg die Krankheit von der Haut auf die Lungen verlagert und am Ende Bronchitis oder gar Asthma sich somatisieren! So etwas ist heute in seiner psychosomatischen Dimension eigentlich relativ einfach durchschaubar, weil es einer altbekannten Logik folgt. Uns muß klar sein, daß wir die Dinge, die uns plagen, nicht aus der Welt bekommen, wenn wir lediglich ein Präparat schlucken! Wir können die Symptome auf diese Weise für eine gewisse Zeit beseitigen, doch damit schieben wir sie letztlich bloß ungelöst auf die Seite, wie es das Wort schon sagt. Letztlich müssen wir dem Körper die Chance geben, das krankmachende Thema körperlich darzustellen! Wenn wir also auf die relevanten Geschehnisse nicht so eingehen wollen, wie sie für uns gedacht sind, und sie dann in der Folge seelisch unterdrücken, dann rutscht der ganze Komplex bald in den Körper ab. Was man sich seelisch nicht gönnt, nicht lebt, das muß auf andere Weise einen Ausdruck finden! Da wird der Körper am Ende zur Bühne, auf der dasselbe Stück aufgeführt wird. Hier können wir jedoch die zugrundeliegende Problematik nicht so leicht verstehen wie auf der Seelenebene. Da muß man dann ein wenig die Fähigkeiten von Sherlock Holmes haben, um der Sache wieder auf die Schliche zu kommen! Dabei hilft „Krankheit als Symbol“, das den Übersetzungsschritt vom Körper zur Seele für Tausende von Symptomen bringt.

Alles Vergängliche dient als Gleichnis …

RÜDIGER DAHLKE: Ja! Alles, was eine Form und eine Gestalt hat, trägt auch eine Bedeutung in sich! Warum sollte denn ausgerechnet ein Krankheitsbild wie zum Beispiel ein Magengeschwür – ein Krater in der Magenwand – plötzlich keine Bedeutung haben?! Warum sollte ein Tumor, der blumenkohlartig wächst und eine derart auffallende Gestalt hat, nichts bedeuten? Wir könnten diese Analogien leicht verstehen, wenn wir nicht alles in so enge Schubladen packen und die Bilder freier betrachten würden! Warum das alles so eingerichtet ist, wieso der Mensch überhaupt lernen, Lebensaufgaben bewältigen, Rückwirkungen erfahren soll, das ist eine Frage an die höchste Dimension. Ich persönlich denke, daß alles auf Vervollkommnung hinausläuft. Zum Schluß will alles wieder vollständig und ganz, heil sein!

Ich komme immer wieder zu dem Schluß, daß wahre Erkenntnisfähigkeit doch nur über die Klärung der Frage läuft, was denn die Natur des Menschen ist! Ist er nur ein Körper, der durch einen elektrochemischen „Unfall“ fähig wurde, sich in seiner Umwelt zu beobachten, wahrzunehmen? Oder ist der Mensch geistiger Natur, einer, der sich des stofflichen Körpers zum Zwecke des Erwachens und Ausbildens bedient, also ein Bürger zweier Welten? Inwieweit kann man den Anforderungen, die eine Krankheit an die Seele stellt, auf die Schliche kommen und vor allem auflösen, wenn man ein Menschenbild hat, das eine metaphysische Dimension vollkommen ablehnt?

RÜDIGER DAHLKE: Eine korrekte Sichtweise auf sein Menschsein und die Welt bekommt man nicht in die Wiege gelegt, es ist ein Entwicklungsvorgang, bei dem auch Krankheit hilft! Man muß sich nur einmal darauf einlassen und nicht ständig davor wegrennen! Heute interessiert Ihre Frage aber die wenigsten! Körper, Seele, Geist als Einheit ist für spirituelle Menschen das einzige, was in Frage kommt! Seien wir ehrlich: Für 95 Prozent der Menschen kommt dieses „Modell“ aber gar nicht in Frage! Die meisten identifizieren sich ja noch nicht einmal mit ihrem Körper! Fragen Sie einen durchschnittlichen Mann in Deutschland etwa nach einem Kinobesuch, wenn Sie wieder auf der Straße sind, wo er steht. Er wird nicht sagen: „Ich stehe doch hier neben Dir, wo denn sonst?!“, sondern er wird „auf Parkdeck 12, Platz 26“ verweisen – der hält sich für sein Auto! Für so einen ist es schon ein Riesenschritt, sich mit seinem Körper zu identifizieren! Schauen Sie doch einmal, in welchem Zustand Autos in Deutschland sind und in welchem Zustand Körper sind! Das Auto kommt ständig in die Inspektion, der Körper kommt hingegen fast nie auf Kur! Für die Mehrheit der Menschen wäre es schon ein großer Schritt, sich mit ihrem Körper zu identifizieren. Das Buch „Aller guten Dinge sind drei: Ernährung, Bewegung, Entspannung“ war genau deshalb mein Versuch, für Hinz und Kunz eine Brücke zu bauen und sich im ersten Schritt wenigstens über den Körper in Form zu bringen. Irgendwann wird sich dann auch die Frage stellen, wozu man denn eigentlich entspannen sollte. Frauen tun sich da interessanterweise meist leichter, weil sie sich mehr als Seele erleben, die in einem Körper wohnt. Für mich persönlich wäre es schon schön, wenn die Mehrheit erkennen würde, daß der Körper wichtiger ist als das Auto! Großartig wäre natürlich letztlich die Erkenntnis: Ich bin kein Körper, sondern ich habe einen Körper! Ich bin eine Seele, die in einem Körperhaus wohnt! Da wäre spirituell ein Riesenschritt getan, vor allem, wenn die Menschen dann noch anstreben würden, aus dem Seelenhaus einen Tempel zu machen, in dem die Seele – wie es Theresia von Avila so treffend ausdrückte – gerne wohnt! Das alles heißt am Ende nichts anderes, als daß wir gut zu unserem Körper sein sollen, damit die Seele gut in ihm lebe! Da sprechen wir heute aber noch von einem Minderheitenprogramm! Zum Glück breitet sich dieses Programm aber langsam aus, da sich das Fernsehen zum Beispiel ab und an für diese Themen interessiert und eine große Mehrheit der Bevölkerung wahrscheinlich die Nase voll hat vom alten System. Das heißt aber noch lange nicht, daß man sich gleich existentielle Fragen stellt. Im Grunde sind die Menschen der Moderne hoffnungslos überfordert mit so wichtigen Schicksalsgesetzmäßigkeiten wie der Polarität, der Resonanz oder dem Gesetz des Anfangs und stehen diesen essentiellen Rahmenbedingungen hilflos gegenüber. Wer die Spielregeln nicht kennt, wird natürlich am Spiel (des Lebens) wenig Freude haben!

War denn die Finanzkrise, wie wir sie vor kurzem miterlebten, nicht auch ein Einschnitt, der einer Krankheit ähnlich ist? Eigentlich hat in unserer heutigen Gesellschaft das Geld doch eine so signifikante und symbolische Brückenfunktion zwischen dem Materiellen und Spirituellen. Hier der Wunsch, die Sehnsucht, das Streben hin zu wie auch immer gearteten Werten, dort das Vehikel Geld, das dieses innere Streben in die materielle Welt hinausträgt. Wenn nun der Blitz zum Zwecke des Bewußtwerdens genau in diesen wichtigen Bereich „hineinkracht“, verfolgt das doch – analog betrachtet – ähnlich heilsame Ziele wie eine Krankheit …

RÜDIGER DAHLKE: Das denken Sie! Sie sind mit diesem Ansatz jedoch die Minderheit auf diesem Planeten! Was sich in unserer Epoche heute abspielt, ist die reine, radikale Materienummer, der Glaube an die Oberfläche, an den Schein, die Eindimensionalität! Sie wissen doch selbst, daß die „Kreise“, die diesen Finanzcrash verursacht haben, das System gerade wieder reparieren oder bereits repariert haben und den alten Mist genauso weitermachen wie bisher! Die haben rein gar nichts gelernt und sehen immer noch Chancen, von diesem System weiter zu profitieren.

Ja, die Finanzjongleure und Zahlenakrobaten werden die uralte Alchemie des wundersamen Geldvermehrens so lange praktizieren, bis ihnen das System um die Ohren fliegt. Doch wie wirkt eine Finanzkrise auf den kleinen Mann? Die Enttäuschung darüber, wie fragil dieses Gebäude um ihn herum doch ist, die Ernüchterung darüber, welchen Wert man denn in seinem Leben tatsächlich kultiviert hat. Die Krise könnte doch für viele der Moment sein, in dem der Maskenball ein Ende hat und sie zum ersten Mal eine existentielle Leere spüren … die allem Anschein nach schon sehr lange da war, bisher jedoch von der Illusion des Geldwertes überstrahlt wurde.

RÜDIGER DAHLKE: Ja, eigentlich müßte man sich dann fragen, was im Leben wirklich wertvoll ist. Die Mehrheit tut das, wie schon gesagt, nicht! Sie macht mit, zeigt mit Fingern auf die Großen und ist im Kleinen nicht einen Deut besser. Aber natürlich haben Sie eigentlich recht! Man könnte an tausend Punkten aufwachen, gerade beim Geld, das uns ja alle angeht und berührt! Ich denke aber, daß durch die Krise der Lerneffekt in der Bevölkerung nur sehr vereinzelt bis gar nicht stattfindet. Bisher kreist ja immer noch alles um die Quantität des Geldes – die Frage, die jedoch viel wichtiger wäre, hat mit der Qualität des Geldes und, damit verbunden, mit der Qualität des Menschseins zu tun! Darüber habe ich ja in „Die Psychologie des Geldes“ ausführlich geschrieben.

Das ausschließliche Schielen auf die Quantität des Geldes ist es, was heute alles so gräßlich macht. Ein alter Bauer sagt vielleicht noch: „Nein, das ist kein gutes Geld, das will ich nicht!“ weil er kein subventioniertes EU-Geld für die Stillegung seiner Äcker möchte. Andere im Dorf sagen wiederum: „Sei nicht dumm, nimm das Geld, alle machen das so!“ Sie lassen sich inzwischen gerne dafür bezahlen, nichts mehr für das Geld zu tun.

Wir haben alle die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko mitverfolgt, den schlimmsten Öl-Ökogau, den wir bisher hatten. Sagen Sie mir doch bitte eine konkrete Maßnahme, die der Staat, aber auch Privatpersonen heute anders machen würden, eine radikale Konsequenz?! Es wird weitergemacht wie zuvor, und das geht, weil es den Menschen egal ist, weil sie oft nicht einmal wissen, wovon die Rede ist! Gehen Sie doch einmal in den Mittleren Westen der USA. Sie machen sich kein Bild, wie gering die Bildung in diesen Gegenden ist. Außerdem kommt zu dem Mangel an grundlegendem Bewußtsein noch dieser eigentümliche evangelikale Patriotismus hinzu, der die ganze Angelegenheit noch komplizierter macht. Ich fürchte, bei diesen Menschen folgt wohl kein Umdenken, keine Lehre aus der Geschichte.

Aber wenn auch der Mensch keine Konsequenzen ziehen möchte, dann sicher das Ökosystem in seinen selbsttätigen und unparteiischen Rückwirkungen! Möglicherweise bugsieren wir uns durch unser „herzloses“ Verhalten in eine Epoche hinein, in der wir – nachdem wir den „point of no return“ überschritten haben – machtlos mit den geballten Konsequenzen unseres Handelns konfrontiert werden. Wenn ich schwer erkrankt bin, kann es mitunter ja auch sehr zäh werden, bis ich die Krankheit überwunden, sprich verarbeitet habe. Vielleicht wird im Druck dieser alles überlagernden und unüberwindbaren Konsequenz nur noch „regelkonformes“, also nachhaltiges, menschenwürdiges Verhalten möglich sein, weil man jegliches Fehlverhalten gleich an der eigenen Haut zu spüren bekommt. Dann bliebe für uns nur noch die zwingende Pflicht zum „ökologischen Imperativ“: „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (Hans Jonas)

RÜDIGER DAHLKE: Ich bin mir unschlüssig, wie es mit unserer Spezies weitergeht. Fakt ist, daß sich die Probleme auf allen Ebenen vervielfachen. In meinem Krankheitsdeutungs-Lexikon „Krankheit als Symbol“ kommen bei jeder sechsten, siebten Auflage ca. 100 neue Seiten hinzu. Zur Zeit meines Examens hatten wir zum Beispiel keine Panikattacken, es gab keine Tinnitusprobleme, keine Hörstürze. Das Burnout-Syndrom ist heute geradezu zu einer Lawine geworden, Depressionen nehmen in einem unbeschreiblichen Ausmaß zu. Doch die Leute ertragen es weiter … bis sie durch die Meldung aufgeschreckt werden, daß sogar ein deutscher Nationaltorwart Selbstmord begangen hat, weil er es nicht mehr schaffte, die Unterdrückung gegen sich selbst aufrechtzuerhalten! Wohin steuert die Erde? Ich könnte mir vorstellen, daß das Elend weiterhin zunimmt und die Krisenmanager im Merkel-Stil das Regiment übernehmen, indem sie den Weg des geringsten Übels wählen. Im Augenblick ist ja das Jahr 2012 in aller Munde. Wir hatten in der Vergangenheit allerdings immer wieder solche kuriosen Endzeiten oder Wendedaten. In der jüngsten Zeit 1984, 1999, 2001. Letztlich ist zwar alles immer schlimmer geworden, so richtig zusammengebrochen ist dabei aber nichts, das steht uns noch bevor.

In Ihrem Buch „Woran krankt die Welt?“ schreiben Sie: „Der stärkste und zugleich gefährlichste Mythos ist der des unbegrenzten Wirtschaftswachstums und des freien Marktes. Das exponentielle Wachstumsparadigma, auf dem die Wirtschaft basiert, entspricht dem Wachstum eines Krebsgeschwürs im lebenden Körper …“

RÜDIGER DAHLKE: Der Krebs ist, biologisch betrachtet, eigentlich das erfolgreichste Prinzip, das wir kennen. So eine Krebszelle wächst wie verrückt in andere Zellen hinein und vermehrt sich enorm, erzeugt bösartige Töchter, Metastasen, und übernimmt so nach und nach den Körper! Der „Denkfehler“ der Krebszelle ist allerdings, daß sie nicht kapiert, daß sie am Schluß mit dem Wirt, also dem Menschen, zugrunde geht!

Dieses Bild zeigt sich allerdings auch sehr deutlich, wenn wir uns unser Wirtschaftssystem genauer ansehen. Alles, was irgendwie Geld bringt, wird gemacht, und zwar ohne Rücksicht auf diesen Planeten, Hauptsache, man wächst und die Zahlen stimmen. Dahinter steckt die gleiche dumme Logik wie beim Krebs … und zum Schluß sterben wir mit diesem Planeten! Es ist heute tatsächlich wie es in der bekannten indianischen Prophezeiung einst lautete: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, daß man Geld nicht essen kann!“ Das aber merkt der Kapitalist eben erst am Schluß … wenn überhaupt!

Dieses System rennt einfach weiter ins Verderben. Es gibt auch optisch imposante Vergleiche zwischen dem Krebs und dem unkontrollierten Wirtschaftswachstum. Wenn man beispielsweise den Ganzkörperscan einer Krebsentwicklung mit allen Mutter- und Tochtergeschwülsten betrachtet und daneben eine Weltkarte stellt und sich die Verzweigung eines großen Konzerns ansieht, dann gleichen sich diese Bilder schon sehr! Sie haben auf beiden eine Muttergesellschaft beziehungsweise -geschwulst, Sie finden Dependancen und Tochterfirmen, und alles ist miteinander vernetzt! Die Analogien zwischen Mikro- und Makrokosmos sind hier so frappierend, daß man fast nicht umhin kommt zu sagen, daß der Mensch mit seinem heutigen Wirken das Krebsgeschwür der Erde ist! Auf jeden Fall verhalten wir uns in jeder Hinsicht so! Im Endeffekt ist die Lösung im Großen dieselbe wie beim Krebs: Man muß den radikalen Schritt zu sich selbst wagen, möchte man überleben! Man muß das ureigene Thema in den Lebensmittelpunkt stellen. Wir müssen als Menschheit wieder den eigentlichen Sinn unseres Daseins erkennen: Einheit! Für mich war zur Erreichung dieses Ziels eine zweigleisige Entwicklung immer sehr wichtig. Auf der einen Seite pflege ich die eigene innere Entwicklung, auf der anderen Seite möchte ich mich aber auch in mein soziales Umfeld, in meine Welt einbringen. Ich finde es unsinnig zu sagen, daß ich entweder nur etwas für mich tue, ins Kloster oder in den Ashram gehe, oder daß ich mich eben nur politisch betätige. Ich denke, wir sollten für unsere persönliche Entfaltung sorgen, aber auch ein Auge für das Äußere haben. Dementsprechend war es mir immer ein Anliegen, eine Brücke zwischen spirituell und ökologisch engagierten Menschen zu bauen. Leider ist mir das nicht gelungen, da die spirituellen Menschen lieber egoman an sich selbst arbeiten und die politisch und ökologisch Engagierten meist nur Angst vor dem Spirituellen haben! Schade darum, denn die beiden Gruppen wären eigentlich natürliche Verbündete!

 

Literatur von Rüdiger Dahlke:
„Woran krankt die Welt?“ (Goldmann TB)
„Krankheit als Symbol“ (Bertelsmann), „Krankheit als Sprache der Seele“ (Goldmann Taschenbuch)
„Die Psychologie des Geldes“ (Nymphenburger)
„Die Schicksalsgesetze – Spielregeln fürs Leben“, „Das Schattenprinzip“ (beide Goldmann)

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